Dienstag, 19. November 2019

INDIEN - Tag 28, Goa - Kochi - Allepey Beach

Dienstag, 19. November 2019
Um 00 Uhr 30 sind wir mit einer guten Stunde Verspätung von Vasco abgeflogen. Der Airbus ist fast voll besetzt, Gernot hat - wie befürchtet - genau hinter sich ein kleines Kind sitzen, das die erste Viertelstunde des Fluges fröhlich gegen seinen Sitz tritt. Wurscht - die 80 Minuten lang ist das auszuhalten. Und letztendlich hat der Flug überhaupt nur eine Stunde lang gedauert - der Pilot hat also ordentlich auf die Tube gedrückt - und das kleine Mädchen ist bald einmal vor Erschöpfung eingeschlafen.
Kaum hatten wir unser Gepäck vom Förderband geholt, checkte uns Gernot über Uber ein Taxi, der Fahrer war in drei (!!) Minuten da. Wir gaben ihm die Adresse unseres vorbestellten Hotels, das war ca. 26 km entfernt. An der genauen Adresse angekommen war weit und breit kein „Hotel Caprice Residence“ zu sehen. Wir haben dann bei der in der Buchungsbestätigung angegebenen Telefonnummer angerufen, aber unsere Buchungsnummer sagte dem Wallah dort nichts. Das gibt es doch nicht. Dann haben wir uns das Hotel selber im Internet rausgesucht, aber als wir dem Typen dort alles erklärt hatten, schaltete er auf Tonband und weg war er. Was nun? Wir sind da offenbar einem Fake aufgesessen, denn wir standen definitiv vor der angegeben Adresse. Wurscht, es war mittlerweile 3 Uhr früh, also brauchten wir dringend ein Ersatzquartier. Beim ersten Hotel bekamen wir die nette Auskunft, sie würden keine Zimmer an Ausländer vermieten. Na bestens. Genau gegenüber sahen wir dann den mächtigen Kasten eines Luxushotels, der Fahrer brachte uns hin und wir checkten - übermüdet und total nassgeschwitzt im 5-Sterne Bunker „Hotel Renai Kochin“ ein. Die Tür wurde uns auch noch um diese Zeit von einem livrierten Diener geöffnet und beim Preis des Zimmers mussten wir kurz schlucken - 6.250 RP - das sind fast 80 Euro. Der Manager sah Gernots entsetztes Gesicht und meinte freundlich: „Okay, we will do it without taxes“, also bezahlten wir schwarz 5.500 RP, immer noch gut 70 Euro. Wurscht, wir wollten und konnten nicht mehr länger verhandeln und blätterten die Kohle auf den Tresen. 
Das Zimmer war dann eh ziemlich lässig, aber in Österreich gibt’s dafür keine 5 Sterne. Wurscht, die Klimaanlage auf höchste Stufe gedreht, schnell eine Dusche genommen und nach ein bisschen Fernsehschauen ab in die viel zu weichen Boxspring-Betten. Den Wecker stellten wir uns zur Vorsicht auf 8 Uhr, denn nach dem im Preis inkludierten Frühstück möchten wir uns bei Tageslicht auf die Suche nach dem ominösen „Hotel Caprice Residence“ machen. Schon vor 8 Uhr sind wir aufgestanden und haben im Speisesaal des Hotels ein wirklich fulminantes Frühstücksbuffet vorgefunden. Zwar waren die hauptsächlich auf indische Frühstücksgewohnheiten eingestellt, aber auch für den verwöhnten Hotelgast aus dem Westen wurde einiges geboten. 
Und so aßen wir Toast, Butter, Marmelade, Cornflakes, genossen frischgepresste Fruchtsäfte und natürlich Tee und Kaffee. Direkt schade, dass wir wegen unserer Müdigkeit keinen richtigen Hunger gehabt haben … Dann machten wir uns auf die Suche nach dem vorbestellten Hotel, aber auch bei Tageslicht war nichts davon zu finden. Jetzt war klar, dass wir Betrügern aufgesessen waren und wir konnten noch von Glück reden, dass Ilse bei der Buchung die Option „Bezahlen im Hotel“ angeklickt hat. So müssen wir wenigstens keinem Geld nachlaufen. So - und jetzt? Klarerweise mussten wir so rasch als möglich aus der Luxus-Hütte ausziehen, einen 70er am Tag wollen wir uns nicht leisten. Kochi gibt sowieso nicht viel her, was sollen wir in einer dreckigen Millionenstadt, in der es schon um 9 Uhr vormittags über 30 Grad hat. Ilse hat dann in Nadjas und Christians Reiseblog von 2014 nachgeschaut, wo sie auf ihrer Indienreise auch die berühmten Backwaters von Kerala besucht hatten. Also war uns nach der Lektüre klar, wir fahren nach Allepey. Das ist gut 60 Kilometer entfernt, Gernot checkte ein Uber Taxi und der Fahrer stand keine 10 Minuten später auf der Hotelmatte. 

Für keine 1.600 RP wurden wir nach Allepey kutschiert und ließen uns dort ins bereits per Telefon vorreservierte „Allepey Beach Resort“ bringen. Wir checken uns die Hotels jetzt lieber selber, seit gestern haben wir zu booking.com kein Vertrauen mehr. Noch dazu, wo Ilse inzwischen herausgefunden hat, dass das angebliche „Hotel Caprice Residence“ gleich noch zwei Mal mit denselben Bildern an verschiedenen Adressen aufscheint. Wenn denen das nicht auffällt und Ilse das in kürzester Zeit herausfindet, dann können uns die von booking.com gestohlen bleiben. Das „Allepey Beach Resort“ macht auf den ersten Blick keinen schlechten Eindruck, das AC-Zimmer kostet 2.500 RP, das geht. Vorerst beziehen wir ein Ersatz-Zimmer, weil unser eigentlicher Raum erst noch gereinigt wird. Zwar gibt es im Ersatzzimmer nur kalte Dusche, aber das ist bei weit über 30 Grad nun echt kein besonderes Problem. 

Das Hotel liegt direkt am Strand, wir können von der großen Terrasse vor unserem Zimmer direkt aufs Meer schauen. Gernot geht dann mal die Lage checken und prallt am Strand entsetzt zurück! Man kann ihn eigentlich nur als Müllhalde bezeichnen, überall liegen ganze oder zerbrochene Flaschen herum, jede Menge Plastikmüll wird vom Wind fröhlich ins Wasser geweht, ein echter Wahnsinn. Ja haben die hier einen Vogel? Wollen die sich mit Gewalt und Vorsatz arbeitslos machen? Oder ist das den indischen Touristen eh wurscht, weil die den Dreck gewohnt sind? Ausländer sehen wir hier nämlich überhaupt keine, die berühmte Ausnahme von der Regel waren zwei Touristen, auf deren Zimmer wir warten müssen, bis es wieder sauber gemacht wird. Das waren junge Leute und wie Gernot so jung war, hat ihm der allgegenwärtige Müll in Indien auch weniger ausgemacht. Aber heute packen wir das einfach nicht mehr, vor allem nicht an einem Strand. O.k., also nix mit Beach-Feeling, machen wir halt die Backwaters-Tour und dann - Tschüss du versifftes Allepey, du angebliches „Venedig von Indien“! Weil sich der Hunger meldet, gehen wir ins hoteleigene Restaurant. Was wir so sehen, sind wir jetzt die einzigen (!!) Gäste hier, das ist auch ziemlich eigenartig. Wir wollen Fisch essen, schließlich liegt das Meer direkt vor uns. „Sorry, no fish“ bedauert der eher unsympathische Kellner, der sich dann gleich voll unsympathisch macht. Denn als eine mittelgroße Spinne über den Tisch krabbelt, wischt er sie mit einem „No problem“ und einer lässigen Handbewegung direkt in Richtung Gernot, dem die Spinne dann übers Hemd und in weiterer Folge unter die kurze Hose krabbelt. Bestens! Wir bestellen dann einen „Fried Rice“, da meint der gute Mann, dass das ungefähr 45 Minuten dauern würde. Ist das zu fassen? Die haben offenbar gar nix in der Küche - wozu auch, wenn sie eh keine Gäste haben. Also stehen wir auf, gehen zum Hotelmanager und fordern sofort unsere bereits vorausbezahlte Kohle zurück. Gernot macht das derart mit Nachdruck, dass er doch glatt die 5.000 RP rausrückt, denn eigentlich wollten wir drei Tage bleiben. Wir stoppen uns dann eine vorbeifahrende Rikscha und fahren ins Zentrum der Stadt Allepey hinein. Dort spazieren wir trotz der Hitze relativ entspannt den zahlreichen Kanälen entlang und entscheiden schon nach wenigen Minuten: Keine Backwaters-Tour! Wir sind ja nicht blöd und zahlen ein paar tausend Rupies, damit wir dann durch eine völlig zugemüllte Drecksbrühe schippern, begleitet von Milliarden Stechmücken. Wer das romantisch findet, der sieht die Dinge halt anders als wir. Es wundert uns mittlerweile kein bisschen, dass wir den ganzen Tag über keine einzigen anderen Western-Touristen sehen, denn an einem Ort wie Allepey Urlaub zu machen ist völlig blödsinnig. Außer vielleicht für Freunde des Kommunismus, denn Kerala wird ja von der Hammer-und-Sichel-Fraktion regiert. Das hat schon seine Vorteile, denn nirgendwo in Indien können mehr Leute lesen und schreiben als in diesem Bundesstaat. Auf Bildung legen sie hier ganz großen Wert, wir sehen an jeder Ecke Schulen, die Kommunisten haben schon vor vielen Jahren Bildung für alle ganz einfach angeschafft. Auch sind die Frauen hier den Männern - theoretisch zumindest - gleichgestellt, wir sehen auch zahlreiche indische Polizistinnen und wenn sie den Verkehr regeln, dann tanzt auch der größte Macho nach deren Pfeife. Das hat schon was … 
Wie überall bis jetzt auf unserer Reise essen wir auch hier ausgezeichnet, auch wenn wir heute vorerst nur snacken. So dreckig und abgefuckt kann es gar nirgendwo sein, dass die nicht hervorragendes Essen zusammenbringen. Auch wollen wir über die Leute von Allepey, denen wir begegnet sind, kein schlechtes Wort verlieren. Sie waren alle ausnehmend freundlich und wir werden andauernd - übrigens auch von Frauen - freundlich gegrüßt. Und das ohne Hintergedanken, denn irgendein Geschäft wollte den ganzen Tag über keine(r) mit uns machen. Nach ein paar Stunden haben wir uns dann eine Rikscha genommen und sind zum Beach gefahren. Dort haben wir den Wallah bei einem Hotel anhalten lassen, denn wenn wir noch ein bisschen hierbleiben wollen, dann brauchen wir eine andere Unterkunft. Das besagte Hotel befindet sich inmitten einer riesigen Anlage und es gibt keinen großen Wohnkomplex, sondern zahlreiche Bungalows. Die Rezeptionistin erschrickt direkt, als sie uns sieht und bald einmal merken wir, dass eigentlich alle anderen Bungalows leer stehen. Wir wären also wieder die einzigen Gäste. Dieses Alleppey ist echt total runtergewirtschaftet und das vollkommen zu Recht! Wir sagen uns trotzdem für morgen Vormittag an und fahren in unser „Beach Resort“ zurück. Dort gibt es jetzt das Problem, dass es nicht nur kein warmes Wasser, sondern überhaupt kein Wasser gibt. Das haben wir auch noch nirgendwo erlebt. Gernot muss schon wieder laut werden, erst dann dreht der Manager das Wasser wieder auf. Es leckt irgendwo die Leitung und damit er nicht zu viel Wasser verbraucht, schaltet er es einfach ab. Und wir Gäste? Hey - geht’s scheißen Touris, ich hab eure 2.500 RP, was wollt ihr denn noch? Vielleicht Wasser im Scheißhaus oder in der Dusche oder gar eine Art Service? Geh bitte … Genau das scheint die Einstellung dieses Typen hier zu sein … Unfassbar. Gernot hält dem Mann dann einen freundlichen (das ist jetzt überhaupt nicht zynisch gemeint) Vortrag, warum wir hier die einzigen Gäste sind. Ob er sich denn nicht darüber wundert, dass mitten in der Hochsaison alle seine Zimmer leer stehen? Ob das vielleicht mit dem völlig verdreckten Strand zu tun haben könnte? Oder mit dem fehlenden Wasser auf den Zimmern? Der Typ zeigt sich zwar einsichtig und ist vielleicht sogar ein bisschen beschämt, zumindest hat er zugehört. Natürlich schiebt er alles auf die Regierung, klar, dass immer wer anderer die Schuld haben muss. Aber ob uns die Kommunisten das Wasser abgesperrt haben? Oder die viel zu vielen Moslems hier, über die er als Hindu auch mächtig herzieht? Irgendwie eh wurscht, was gehen uns die Probleme von diesem Alleppey an? Wir sind morgen sowieso weg, denn wir haben beschlossen, dass wir diesen versifften Ort so rasch als möglich verlassen werden. Diese Stadt hat uns ganz einfach nicht verdient und Basta … Gegen 18 Uhr meldet sich dann der Hunger und wir gehen in völliger Dunkelheit in Richtung der heute besichtigten Bungalowanlage, denn die haben das einzige Restaurant in der Gegend hier. Natürlich ist genau zu dem Zeitpunkt keine einzige Rikscha unterwegs, also latschen wir den Kilometer halt zu Fuß. Nicht ganz ohne, so ein Fußmarsch neben einer stark befahrenen Straße, denn man wird von den vielen Fahrzeugen erstens nicht gesehen bzw. kümmert sich zweitens niemand besonders um zwei wahnsinnige Spaziergänger im Dunkeln. Und man muss auch aufpassen, nicht über einen Hund, eine Kuh oder über einen schlafenden Menschen zu stolpern. Aber unser kleines LED-Taschenlämpchen (Danke, Herr Meixner!) bewahrt uns vor dem Gröbsten und wir kommen unbeschadet beim Restaurant an. Erwartungsgemäß sind wir die einzigen Gäste, die drei Mann Personal (Küche nicht eingerechnet) freuen sich sichtlich über unser Erscheinen. Sie haben tatsächlich gleich mehrere Sorten Bier im Angebot und wir bestellen uns zwei Heineken, die eisgekühlt und in der 650 ML Flasche daherkommen. Geil! Dann fragen wir nach den verfügbaren Speisen und zu unserer großen Überraschung sind sämtliche Gerichte verfügbar. 
Also bestellt sich Ilse „Veg. Pakoras“ und Gernot eine „Pulao mit Prawns“, also einen Gemüsereis mit Garnelen. Das Essen wird keine Viertelstunde später serviert und auch wenn wir uns wiederholen - es war wieder eines der allerbesten Essen aller Zeiten. Nur Buddah weiß, wie die das hier hinkriegen, aber wir nehmen es dankbar hin. Später sind dann sogar noch weitere Gäste gekommen, vier junge Inder, die aber eher nur getrunken haben. Völlig satt und zufrieden haben wir uns dann auf den Heimweg gemacht, diesmal nicht zu Fuß, denn vor der Bungalowanlage ist ein Taxi gestanden. Ein wirklich süßer Mini-Tata, wie wir sie bisher nur hier in Kerala gesehen haben. Zwar macht das winzige Auto ein Geräusch wie ein 50-Tonnen-Monstertraktor, aber er hat wirklich niedlich ausgeschaut. Übrigens kostet diese Karikatur eines Autos knapp 400.000 RP, also deutlich weniger als unsere Vespa gekostet hat …
Im Hotel legen wir uns dann nach einer kalten Dusche müde auf unser Bett - unglaublich, was für einen dichten Tag wir heute hinter uns gebracht haben. Manchmal erlebt man hier in 24 Stunden derartig viel, dass es unsere Sinne kaum verarbeiten können. Wurscht, morgen geht’s eh weiter - eventuell nach Ooty rauf, wir werden sehen …


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