Freitag, 8. November 2019

INDIEN - Tag 14, 15, 16, 17, Agonda



Dienstag 5. bis Freitag 8. November 2019
Vorbemerkung:
Weil wir in Agonda einfach nicht zum täglichen Schreiben unseres Blogs gekommen sind, hier eine Zusammenfassung unseres viertägigen Aufenthaltes hier. Am Dienstag sind wir wieder einmal um 6 Uhr vom Nachbarhund geweckt worden, auch schon wurscht, heute verlassen wir das Hotel „Vailankanni“ ohnehin. Wir gehen frühstücken und danach packt Ilse unsere letzten Sachen zusammen. Passt wieder alles perfekt in unsere Taschen, Gernot checkt uns derweil ein Taxi nach Agonda. Wir hätten kein Problem, die Strecke auch mit einer Auto-Rikscha zu fahren, also wird die erstbeste aufgehalten. Der Typ verlangt schlanke 3.000 RP für den Trip, also darf er ohne uns seinen Dienst fortsetzen. Als nächstes bleibt ein „echtes“ Taxi stehen und zu Gernots Überraschung zückt der Fahrer eine Preisliste (!!), auf der an oberster Stelle Agonda steht. Und schau - der offizielle Preis beträgt 1.600 RP, also wird er angeheuert. Schnell sind unsere fünf Gepäckstücke im Kofferraum verstaut und ab geht’s.
Große Teile der Strecke sind uns noch von vorgestern bekannt, aber unser Wallah kennt den Weg natürlich besser und so kommen wir auch auf Sträßchen, die uns unbekannt sind. Die Fahrt ist wirklich lässig und entspannt, wir kriegen einiges an Informationen, unter anderem zeigt uns der Fahrer Cashewnut-Bäume, wofür die Gegend hier berühmt ist. 
Nach einer guten Stunde fahren wir dann vor unserem Guesthouse vor, Gernot lässt noch einen Extra-Hunderter springen. Die Anmeldeprozedur verläuft problemlos und wir richten uns ein wenig im kleinen Zimmer ein. Unser Vermieter checkt uns dann gleich einen Roller für 350 RP pro Tag, wir sind also sofort wieder mobil. Allerdings ist der beigefügte Helm ein Witz, ein Pseudo-Kletterhelm, den der Fahrtwind sofort von Gernots Kopf blasen will. So geht’s natürlich nicht. Gernot hat dann die Idee, dass wir in Richtung National Highway 17 (NH 17) fahren, denn entlang dieser Strecke sollte sich wohl irgendwo ein Helm-Geschäft finden lassen. Tatsächlich ist bereits an der Kreuzung zum Highway ein derartiger Laden und wir kaufen uns zwei nigelnagelneue Helme zu je 1.000 RP. Da hätten wir wirklich mit weit höheren Kosten gerechnet, 12 Euro je Helm waren ja echt nicht zu erwarten. Typisch für Indien war dann noch die Reaktion des Verkäufers auf Gernots Frage „Sorry, but do you have my Helmet in a more bigger size?“ „No problem, Sir“, meinte der Helm-Wallah beflissen und tauschte Gernots helles Visier gegen ein dunkles aus. Tja, was soll man da noch sagen? Der Helm drückt halt ein bisschen, aber das passt schon. Übrigens - im Stauraum unseres Mopeds haben wir den ersten Rupie-Münzfund gemacht - ein blitzblankes 1-Rupie-Stück - geil! Am nördlichen Ende des kleinen Ortes Agonda befinden sich zwei Laubbäume und die sind über und über bevölkert mit riesigen Fledermäusen. Diese Flughunde zählen zu den allergrößten Fledermäusen der Welt und erreichen Flügelspannweiten von bis zu 1,40 Meter. Die will man besser nicht in die Haare kriegen, aber die Tiere sind zum Glück eh ausschließlich Insektenfresser. Übrigens orientieren sich diese Flughunde bei der Beutejagd nach dem Geruchsinn und nicht nach dem Gehör wie die verwandten Fledermäuse. Wir haben hier gleich mehrere Gewitter erlebt, eines war besonders heftig, denn da hat es eine halbe Stunde lang ununterbrochen geblitzt und gedonnert, teilweise erhellten pro Sekunde gleich mehrere Blitze den nachtschwarzen Himmel über Agonda. Eh lässig - vor allem wenn man im Trockenen sitzt … 
Was ziemlich nervig ist hier - wir haben in unserem Raum andauernd Stromausfall und müssen dann regelmäßig sofort auf den Balkon flüchten, weil wir es ohne Ventilator bei über 30 Grad Raumtemperatur natürlich nicht lange aushalten. Besonders ärgerlich - die Power-Cuts gibt es stets nur in den Gästezimmern im ersten Stock, in der Wohnung der Besitzer im Parterre surrt fesch die Klimaanlage und es läuft unüberhörbar den ganzen Tag über das Fernsehgerät. Und trotz unserer sofortigen Urgenzen dauert es immer zwei Stunden und mehr, bis der Strom wieder da ist … Was uns sofort auffällt, ist die unglaubliche Polizeipräsenz hier. Wenn wir zum Beispiel die vielleicht fünf Kilometer nach Palolem rüberfahren, passieren wir jedes Mal mindestens zwei Polizeikontrollen. Bei denen wir übrigens niemals aufgehalten werden, für unsere zwei nagelneuen Helme ernten wir höchstens anerkennendes Kopfnicken der Beamten. Western-Touristen und Inder ohne Helm werden hingegen gnadenlos gestoppt und müssen mindestens einen 1.000er blechen. 
Inzwischen haben wir zwei Stammlokale hier - frühstücken gehen wir stets ins „Romya“ und als Top-Spot fürs Abendessen haben wir das „My friends Place“ entdeckt. Dort treffen wir auch ein deutsches Paar - Monika und Thomas - die sich auf einer endlosen Weltreise befinden, weil sie in Deutschland Firma und Haus verkauft haben. Sie sind nett und wir verbringen gleich mehrere feine Abende zusammen. Dabei lernen wir ein weiteres Paar kennen - Nicole und Pete. Während Monika und Thomas ungefähr in unserem Alter sind, werden die beiden anderen Deutschen höchstens Anfang Dreißig sein. Sie nennen uns auch spaßhalber „Ersatz-Großeltern“. Ja, ja - so schauts aus … In den folgenden Tagen hat dann die Polizeipräsenz ungeahnte Dimensionen erreicht und plötzlich „stürmen“ an die 200 (!!!) Bullen den Touri-Hotspot Agonda. Sie haben gleich mehrere Bulldozer mit dabei und schleifen damit ein illegal errichtetes Beach-Ressort nach dem anderen. Insgesamt an die 50 (!!) Resorts werden gnadenlos plattgemacht, am nächsten Tag können wir in der Goa-Zeitung „Herald“ darüber lesen. Schon brutal, aber Indien ist ein Rechtsstaat und das wird alles seine Ordnung haben. Jedenfalls taugt uns damit Agonda gleich um ein Stück weniger, denn natürlich schlägt sich die tagelang anhaltenden Zerstörungsaktionen auf die allgemeine Gemütslage. 
Zur Vorsicht bleiben dann auch fast alle Geschäfte geschlossen und auch die legal agierenden Lokale, wie das „Romya“ und das „My friends Place“ verhängen ihre Eingänge mit blauen Planen. Das trübt unsere Urlaubsstimmung natürlich nachhaltig …
Aber es gibt auch Stimmungsaufheller. Eines Morgens schenkt Gernot Monika eine Packung Zigaretten, sie weiß noch nicht, welche indische Marke ihr genau zusagt. Also soll sie einmal die „Golden Elephants“ probieren. Gleich danach fährt Gernot Pete mit dem Roller zu unserem Guesthouse, denn das junge deutsche Paar sucht dringend ein Zimmer. Passt, sie kriegen einen Raum, direkt unter uns. Und zu guter Letzt fährt Gernot mit Thomas in die ca. 10 Kilometer entfernte Stadt Canacona rüber. Er und Monika müssen dringend Geld abheben, in Agonda ist der ATM-Automat defekt. Die Abhebung funktioniert klaglos, Gernot hat noch dazu einen Bankomaten ausgesucht, den wir schon kennen. Und der befindet sich unmittelbar neben einer Bankfiliale, also kann sich Thomas gleich 10.000 RP in praktische Hunderter-Noten wechseln lassen. Gernot nützt die Wartezeit und kauft sich nebenan ein fesches Kurzarm-Hemd - so hat jeder was vom Ausflug gehabt. Und danach bewahrheitet sich, dass sich „gute Taten“ manchmal schnell auszahlen: Denn bei unserer Rückkehr war Ilse bereist in unser Guesthouse vorausgegangen und als Gernot allein mit dem Roller dorthin gefahren ist, fand er doch tatsächlich im Dreck drei (!!) silberglänzende Rupie-Münzen. Einen 2er und zwei 1er. Für jede „gute Tat“ eine Münze - so geht „Instant Karma“ … Und was gibt es sonst noch von Agonda zu berichten? 
Der Strand ist wirklich traumhaft schön, er gilt als einer der schönsten von ganz Südostasien und so mancher Euphoriker spricht sogar vom schönsten Strand der Welt! Nun ja, solange nicht zu viele Inder hier Urlaub machen … Denn wie schon erwähnt, das unfassbar unterentwickelte Umweltbewusstsein der Einheimischen ist nur mehr zum Fremdschämen. Es gibt sogar Western-Touristen, meist Deutsche, die jeden Tag den Strand entlanggehen und den Müll einsammeln! Wir haben jeden Tag ausgiebige Fahrten mit dem Moped unternommen, manchmal 40, 50 Kilometer weit. Einmal - das war in Agonda selber - haben sich neben uns zwei Krähen einen Luftkampf geliefert und sind uns dabei direkt in den Roller geflogen. Einen der Vögel hat Ilse „abgekriegt“, den anderen Gernot. Aber weder wir noch die streitbaren Vögel haben dabei Schaden genommen, da sind wohl gleich auf beiden Seiten die Schutzengel mitgeflogen. Besonders erwähnenswert ist noch das Essen hier - jede einzelne Mahlzeit war wieder einmal die beste, die wir je gegessen haben. 
In Erinnerung geblieben sind und zum Beispiel das Chicken-Steak für Ilse oder die Spaghetti Pesto Genovese mit schwarzen Oliven und Garnelen (!!) für Gernot. Das haben wir gleich zweimal hintereinander gegessen, so unfassbar köstlich waren diese Gerichte. Und natürlich sind uns die teilweise dramatisch unfähigen Kellner im Gedächtnis geblieben - einer hat unsere Bestellung (Cola und Bier) sofort wieder vergessen, kaum dass wir sie aufgegeben haben. Und das bei ganzen zwei (!!) besetzten Tischen. Und ein anderer hat uns zum reichhaltigen Frühstück kein Besteck serviert und es auch nach unserer Beschwerde gleich noch einmal vergessen. Und Cornflakes, Toast, Butter, Jam und Spiegeleier lassen sich nun mal schlecht mit bloßen Händen essen - das macht auch kein Inder. Aber über so etwas können wir nur mehr lachen, aufregen tun wir uns deswegen sicher nicht - das Trinkgeld wurde halt gestrichen. Ach ja, auch Gernot kann manchmal ein fester Trottel sein, zum Beweis dafür dient folgende Episode: Wir haben uns ja bereits in Delhi zwei Postkarten-Hefte gekauft, mit jeweils 10 Stück Ansichtskarten. 
Zwölf davon haben wir dann an unsere Lieben und Freunde daheim geschrieben und verschickt. Glaubten wir. Denn Gernot hat locker flockig genau jene acht Karten in den Postkarten geworfen, die weder beschriftet, noch frankiert waren. Das ist uns dann erst wieder im Guesthouse aufgefallen, als wir die restlichen Karten schreiben wollten. Also der Postbote in Canacona wird sich wohl ziemlich über die hübschen, leeren Karten gewundert haben. Noch ein Wort zu unseren Gesundheitszuständen - Ilse hat immer noch Durchfall, aber mit starker Tendenz zur baldigen Besserung. Gernot ist hingegen seinen verdammten Reizhusten losgeworden, er „traut“ sich sogar wieder die eine oder andere Zigarette anzuzünden. Tja - kommen wir zum Abschluss unseres Aufenthaltes hier, denn die paar Tage in Agonda sind leider eher unrühmlich zu Ende gegangen. Es war am Freitag, dem 17. November abends, unmittelbar, nachdem Gernot aus der Dusche gekommen war. Wieder einmal ein Scheiß-Powercut, das heißt natürlich sofort raus aus dem Zimmer. Das war aber nicht möglich, denn die Zimmertür hat sich nicht öffnen lassen. Da hat sich schnell so etwas wie Panik breitgemacht, denn auch die Fenster sind vergittert. Also hämmerte Gernot wie wild an die Tür und rief nach dem Besitzer. Der ging die paar Schritte aus seiner vollklimatisierten Wohnung herauf und hat die Tür von außen geöffnet. „No Problem, Sir“, meinte er locker und hat das Türschloss mit einem Schraubenzieher auseinandergenommen. Nacheinander sind dann gleich mehrere „Helfer“ zu uns ins Zimmer gekommen - keiner hat dabei seine Schuhe ausgezogen. Und wir Trotteln lassen unsere Straßenschuhe schon vor dem Betreten des Balkons stehen. Dann hat der an sich eh freundliche Guesthouse-Besitzer Ilse noch den Schraubenzieher dagelassen, „Just in case of emergency, Madam“, wie er strahlend verkündete. Da war Gernot aber schon wutentbrannt und mit einem „You fix the bill, we are leaving that house“ bei der Tür draußen. So geht’s nicht, uns fehlt hier völlig der Respekt uns gegenüber, die andauernden „exklusiven“ Stromausfälle im Gästebereich nerven und die Sache mit den nicht ausgezogenen Schuhen haben das Fass zum Überlaufen gebracht. NIEMALS würde ein Inder den Wohnbereich eines anderen Inders mit Straßenschuhen betreten. Aber bei uns Scheiß-Westerners ist das natürlich wurscht. Es zählt nur unsere Kohle, wir selbst sind den Hotelbesitzern prinzipiell wurscht. So haben es zumindest wir hier bislang stets erlebt. Aber - darüber haben wir eh schon geschrieben, wir bleiben für die meisten Inder „Kakerlaken mit Geld“ und sonst gar nix.
Also musste sofort ein Ersatzquartier her, um 22 Uhr keine leichte Sache. Ein paar hundert Meter weiter wurde Gernot dann fündig, das Hotel „Maria e Paolo“ kennen wir ja schon von 2007/2008 her. Sie haben noch ein Zimmer frei gehabt, mit Aircondition und für recht teure 2.500 RP pro Nacht. Wurscht, unter diesen Umständen konnten wir nicht wählerisch sein. Wir haben dann all unsere Habe in weniger als 10 Minuten in die Taschen gestopft, Gernot hat die Rechnung bezahlt und weg waren wir. Im „Maria e Paolo“ haben wir uns noch für ein Beruhigungs-Bierchen an die Bar gesetzt und sind danach erschöpft ins Bett gefallen.

Am nächsten Morgen folgte dann die volle Ernüchterung, denn erst bei Tageslicht sahen wir, dass unser Zimmer total verschimmelt war. So - genug ist genug! Gernot checkte uns als erstes ein Taxi, der Wallah wird uns um 9 Uhr vom Hotel abholen und für wohlfeile 1.500 RP nach Colva fahren. Das ist sogar weniger als der offizielle Preis, aber der Fahrer wird gespürt haben, dass man Gernot heute besser nicht übers Ohr hauen sollte. Dann sind wir ins „Romya“ frühstücken gegangen und danach haben wir ausgecheckt. Gernot hat dann den Hotelbetreibern unmissverständlich klar gemacht, dass wir für die Nacht hier nicht einmal eine einzige Rupie zahlen werden. Da haben sie zwar kurz gestutzt, aber beim Anblick der Fotos und der, diesmal nicht gespielt, aggressiv vorgetragenen Frage „Würden Sie Ihre Kinder jemals in so einem Raum schlafen lassen? Oder würden Sie jemals in so einem Raum schlafen wollen?“ waren wir bei der Tür draußen. Gernot hätte noch ein alternativloses „Better you do not try to stop us“ in petto gehabt, aber das war dann gar nicht mehr notwendig. Die waren froh, dass wir endlich weg waren …  


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