vom 24. Juli bis 28. Juli 2019
Mittwoch, 24. Juli 2019
Erst vorgestern sind wir vom Lago di Piano zurückgekommen und eigentlich
wollten wir ein paar Tage lang zu Hause bleiben. Doch dann kündigten die
Meteorologen für die nächsten Tage überall in Mitteleuropa neue Hitzerekorde
an, auch für Innsbruck waren 38 Grad und mehr angesagt. Da kriegen wir in
unserer Dachgeschoßwohnung dann fesche 32 bis 34 Grad, da muss man also nicht
zwangsweise daheimbleiben. Gernot hat den Vorschlag gemacht, mit dem WoMo ins Kühtai hinaufzufahren. Der Ort liegt auf exakt 2.020 Metern Seehöhe, da wird es
auch im heißesten Sommer kaum einmal 25 Grad warm. Es gibt im Wintersportort
Kühtai natürlich jede Menge Liftanlagen mit entsprechend großen Parkplätzen, da
stören wir mit unserem WoMo niemanden. Noch dazu ist ein paar hundert Meter weiter
ein Stausee, vielleicht ließe sich ja sogar dort ein kuscheliges Parkplätzchen
finden. Keine schlechte Idee grundsätzlich, aber Ilse meinte „Ah geh‘, fahr ma
lieber zu Gitti und Luis, da wissen wir, was uns erwartet“. Und weil Ilses
Ideen niemals nicht schlecht sind, haben wir uns in Richtung Campingplatz Kesselberg
aufgemacht. Die Vespa kommt mit, wir werden im Oberbayrischen ein paar lässige
Ausfahrten unternehmen. So ist der Plan.
Schnell sind frisches Gewand, frisches Bier und frische Softdrinks im WoMo
verstaut, die Vespa hinten aufgepflanzt und ab durch die Mitte!
Am Zirlerberg
werden wir heute in unserem Vorwärtsdrang sprichwörtlich eingebremst, ein LKW
quält sich mit knappen 10 km/h die Steigung hoch. Bei dieser Geschwindigkeit
müssen wir in den ersten Gang schalten und das mag unser Schneckchen gar nicht.
Also fahren wir beim Rasthaus hinaus und gönnen unserem Nasenbären eine
Verschnaufpause. Keine zehn Minuten später fahren wir dann weiter und in einem
Zug durch bis an den Kesselberg.
Dort angekommen fahren wir lässig am Schild „Platz belegt“ vorbei und
stellen uns auf unseren Exklusiv-Platz, der seit dieser Saison immer für uns
freigehalten wird. DAS sind Privilegien, denn Luis muss sogar
Zwei-Mann-Zelt-Camper abweisen und wir dürfen mit unserem dicken Nasenbären
zufahren! Wir richten uns wie immer blitzartig ein, wegen der auch hier zu
erwartenden Hitze spannen wir gleich unser rotes Sonnensegel auf. Es ist
Mittag, also schreiten wir unverzüglich zu Tisch.
Im Restaurant erfahren wir dann, dass Gitti krank ist. Und zwar so richtig krank,
schon seit dem Wochenende. Die Arme liegt mit einer schweren Sommergrippe im
Bett und kommt seit Tagen nicht mehr aus ihrem Zimmer raus. Für Luis ist das
natürlich eine echte Katastrophe, denn Gitti ist für den Betrieb des
Campingplatzes absolut unersetzlich. Dementsprechend herrscht ein ziemliches
Chaos, denn Gitti wickelt ja die ganzen Ab- und Anmeldungen der Camper, die
dutzenden Brotvorbestellungen, den kompletten Schankdienst, den Eis- und
Kaffeeverkauf, das ganze Finanzielle usw. ab. Sie fehlt also an allen Ecken und
Enden, ohne Gitti kann es am Kesselberg nur einen Notdienst geben. Dafür
arbeitet Sohn Bene jetzt ganztägig, er verbringt seinen ganzen Urlaub am
Campingplatz. Brav. Und es fängt ihm immer mehr an zu taugen, den ganzen Tag
über ist er ja sonst nie da, er hilft halt manchmal am Abend oder an den
Wochenenden aus. So sieht er jetzt zum ersten Mal so richtig, wie vielfältig
die Arbeit seiner Eltern ist. Wie abwechslungsreich und auch wie fordernd so
ein 16 Stunden-Tag sein kann. Wer weiß, vielleicht übernimmt der Benedikt
einmal den Campingplatz „Kesselberg“, in sechs, sieben Jahren wollen Luis und
Gitti eh in die mehr als nur wohlverdiente Pension gehen …
Nach dem Mittagessen sind wir, nach einem Verdauungsspaziergang zum
Kochelsee, vor unserem WoMo gesessen und bald einmal wurde uns klar - es ist
viel zu heiß! Es hat auch hier am Kesselberg gut und gern 35 Grad, noch dazu
steht unsere Schnecke bis ca. 14 Uhr in der prallen Sonne, da hilft auch unser
schönes, rotes Tuch nichts. Also haben wir Tisch und Stühle ein paar Meter
neben unserem Platz in den Schatten verfrachtet und einen Pasch gemacht. Später
haben wir uns die Sonnenliegen-Auflagen geschnappt und uns zwischen die beiden
Wege des Campingplatzes auf einem freien Stück Boden niedergelegt. Der eiskalte
Bach fließt keine fünf Meter entfernt an uns vorbei, die mächtige Felswand
spendet tiefsten Schatten und der Boden ist kühl wie Marmor. Wenngleich nicht
ganz so hart, aber es geht durchaus in diese Richtung … Gernot hat eh
gescherzt, dass genau dieses Fleckchen Erde zurzeit der kälteste Ort im Freien
in ganz Oberbayern sei.
Jedenfalls sind wir beide sehr schnell weggepennt und
haben eine gute Stunde lang fein gebüselt.
Nach dem Abendessen hat uns dann Platzkater Gustl seinen Antrittsbesuch
abgestattet. Er hat kurz gemaunzt, den Schwanz lässig zum Gruß erhoben und ist
ansatzlos in unser WoMo gesprungen. Nach einer ausgiebigen Beduftungs-Runde hat
er dann lautstark nach Futter verlangt und selbstverständlich sind wir beide
augenblicklich aus unseren Stühlen hochgeschossen. Ilse hat das
Futterschüsselchen rausgeholt, Gernot die Knuspertaschen eingefüllt und Gustl
hat es dann ordentlich krachen und knuspern lassen. So waren wir alle drei
zufrieden.
Wir sind dann noch lange draußen gesessen und haben uns am schönen
Sonnenuntergang erfreut. Den ersten Hitzetag haben wir also problemlos hinter
uns gebracht, übrigens sind heute überall in Europa die Temperaturrekorde nur
so „gepurzelt“: Paris weit über 40 Grad, in Belgien neues Allzeit-Hoch mit über
41 Grad und in Deutschland wurden im niedersächsischen Lingen sagenhafte 42,6
(!!!) Grad gemessen. Na servas, da sind wir wirklich noch sehr gut
davongekommen …
heiß-heißer-Kesselberg hilft! |
Donnerstag, 25. Juli 2019
In der Nacht hat es erwartungsgemäß angenehm abgekühlt, obwohl wir uns
nicht erinnern können, dass es am Kesselberg in der Früh jemals wärmer als 20
Grad war. Aber die 20,6 Grad lassen sich natürlich leicht aushalten.
Kurz nach 8 Uhr geht dann Gernot als erster hinauf ins Restaurant, Ilse
wird in ein paar Minuten nachkommen. Im Restaurant ist buchstäblich die Hölle
los, unzählige Camper stehen Schlange um ihre vorbestellten Brötchen, andere
wollen ihren Aufenthalt bezahlen, wieder andere haben wiederum ein anderes
Anliegen. Gernot wird gute zehn Minuten lang nicht einmal bemerkt, und als er
dann noch die freundliche Bestellung einer Jugendgruppen-Betreuerin „15 Tassen
Kakao und 15 Semmeln mit Butter bitte“ vernimmt, weiß er: Heute kein Frühstück
im Restaurant. Eine echte Premiere, denn bislang waren wir an jedem Tag unseres
Aufenthaltes am Kesselberg frühstücken und wir haben in den vergangenen Jahren schon
dutzende Nächte hier verbracht. Aber heute kochen wir uns am Kochelsee zum
ersten Mal selber unseren Kaffee, zum Glück haben wir noch die Milch vom Lago
di Piano im Kühlschrank.
Den Vormittag haben wir mit Lesen und Paschen verbracht und gegen 11 Uhr 30
haben wir einen zweiten Anlauf zum Frühstücken im Restaurant unternommen. Jetzt
war ein guter Zeitpunkt dafür, auch wenn es mittlerweile keine Semmeln mehr
gegeben hat. Wurscht, das als Ersatz gereichte Schwarzbrot hat uns mindestens
genauso gut geschmeckt. Derart gestärkt sind wir dann mit der Vespa
aufgebrochen.
Zuerst sind wir nach Kochel rübergedüst und von dort weiter in Richtung
Benediktbeuern. Etwas vor dem Wallfahrtsort befindet sich ein kleiner
Gewerbepark und dort ist auch ein ALDI angesiedelt. Schnell waren Milch,
Schoko-Puddings, ein schöner Schoko-Marmorkuchen und natürlich Katzenfutter
eingekauft (übrigens alles zusammen für wohlfeile 3,93 Euro) und wir sind die
knapp 10 Kilometer zum Campingplatz zurückgefahren. Das Wetter ist ein Traum,
es ist zwar wieder sehr heiß, aber durch den Fahrtwind spüren wir die Hitze
nicht wirklich. Zumindest nicht brutal. Aber wenn wir an einer Ampel oder so
warten müssen, dann knallt uns die Sonne natürlich erbarmungslos auf die
behelmten Häupter. Wurscht - es ist Sommer!
Wir verstauen die ALDI-Beute im WoMo und machen uns - vorerst ohne Ziel -
sofort wieder auf den Weg. Spontan biegen wir dann auf der Hauptstraße nach
rechts ab und fahren den Kesselberg hinauf. Diesen Weg sind wir zu zweit auch
noch nicht mit der Vespa gefahren und damit steht auch unsere weitere Route
fest. Das wird eine ordentliche Runde werden …
Als erstes kommen wir nach dem Kesselberg am Walchensee vorbei und in
weiterer Folge nach Krün. Das ist bis dahin unser üblicher Heimweg, aber heute
biegen wir nach Krün natürlich nicht in Richtung Innsbruck ab, sondern fahren
nach Garmisch weiter. Der Verkehr ist mäßig, es ist ein Vergnügen, mit einem
lockeren 70er über die Bundesstraße zu cruisen. In Garmisch kämpfen wir uns
dann über die unzähligen Ampeln, heute erwischen wir keine grüne Welle, aber
wenigstens stehen wir stets in der Poleposition.
Ein Stück nach Garmisch biegen wir dann nach links ab und fahren die lange
Steigung zum Kloster Ettal hinauf. An dieser Bergstraße bleiben wir dann für
eine kurze Rastpause stehen und lassen unseren roten Renner ein wenig
ausschnaufen. Bald darauf sind wir alle drei wieder topfit und weiter geht die
unbeschreiblich lässige Fahrt. Wir kommen nach Oberammergau und wir fahren in
den Ort hinein. Am Ortseingang kommen wir am Gasthaus „Der Zauberer“ vorbei,
welches wir in guter Erinnerung haben. Nun, es hat sich offenbar ausgezaubert,
das Lokal hat zugesperrt. Tja, nichts ist für ewig …
Wir fahren im gepflegten Schritttempo durch das Zentrum von Oberammergau,
dafür, dass eigentlich touristische Hochsaison ist, sind erstaunlich wenig
Leute unterwegs. Wird wohl auch an den 35 Grad liegen, das ist nicht gerade das
ideale Wetter zum gemütlichen Flanieren.
Wir kommen dann an einem uns schon bekannten Souvenirladen vorbei, mal
schauen, ob er Vespa-mäßig was zu bieten hat. Tatsächlich hat er ein sehr
schönes Modell einer roten Vespa mit weißer Sitzbank in der Auslage stehen, es
ist uns aber mit seinen 49,90 Euro zu teuer. Die Hälfte hätten wir bezahlt,
aber ein Fuffi für ein Spielzeugmodell ist uns zu viel. Wurscht, wir haben ja ohnehin
kaum mehr Platz für rote Vespas daheim, wir müssen bei unseren Käufen eh schon
sehr selektiv vorgehen. Wir finden dann aber immerhin eine nette Postkarte, die
schicken wir später an Ilses Schwester Sigrid.
So, jetzt ist wirklich Zeit fürs Mittagessen, es ist ja fast schon 14 Uhr. Wir
fahren auf der Suche nach einer Nahrungsquelle einmal quer durch das
Dorfzentrum und bleiben dann genau gegenüber vom Gasthaus „Alte Post“ stehen. Wir
parken unsere rote Prinzessin direkt am Gehsteig - das ist natürlich frech,
aber es hat was … Wir setzen uns auf die überdachte Terrasse und lassen uns die
Speisekarte bringen. Eigentlich wollten wir nur eine Kleinigkeit essen, eine
Saure Wurst oder so. Gernot hat dann aber dem Schweinsbraten in der
Starkbiersauce samt Kartoffelknödel und Blaukraut doch nicht widerstehen
können, eine möglichst leichte Mahlzeit tut bei dieser Hitze einfach not. Darum
hat sich auch Ilse nur einen großen Teller Kartoffelsuppe mit einem Paar
Frankfurter Würstel einverleibt.
Nach dem wirklich guten Mittagessen haben wir unsere Tour fortgesetzt, bis
zum Campingplatz sind es noch mehr als 40 Kilometer. Über Saulgrub, Murnau,
Groß- und Kleinweil (vorbei an der kleinen Pension mit dem
vertrauenserweckenden Namen „Killer“) sind wir dann nach Kochel am See
gekommen, von dort sind es dann nur noch knapp fünf Kilometer bis zum
Campingplatz Kesselberg. Wie wir uns dann neben unserem WoMo einparkten, waren
wir ganz schön geplättet. Ein Touren-Motorradfahrer wird jetzt natürlich mitleidig
über uns lachen, aber wir sind heute genau 123 Kilometer unterwegs gewesen,
eine so große Runde sind wir bis jetzt noch nie gefahren. Und dabei sind wir
gut und gern in zehntausend Schlaglöcher und Kanaldeckel hineingerumpelt, das
ist jedes einzelne Mal wie ein Tritt ins Kreuz. Vor allem Ilse kriegt ihre
Rückenlehne jedes Mal heftig zu spüren, wenn sie von einem Schlagloch
überrascht wird. Okay, genug gejammert jetzt, der Spaß am Fahren überwiegt
natürlich bei Weitem, dass es manchmal ein bisserl anstrengend sein kann,
gehört halt dazu. Aber lustig ist es irgendwie schon, dass wir uns mit der
Vespa keine einzige Tour de France Etappe antun würden! Die Radprofis sind oft
an die 200 Kilometer und sieben Stunden lang unterwegs. Und wahrscheinlich
haben sie am Ende noch eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit, als wir sie
auf derselben Strecke mit unserem 125 cm³ Roller hätten, schließlich legen sie
keine Sekunde Pause ein. Das bringt einen schon zum Nachdenken, unglaublich,
was diese Profis leisten.
Wir haben uns dann mit einem Pasch von unserer Ausfahrt erholt und gegen 19
Uhr sind wir frohen Mutes zum Abendessen geschritten.
Erfreulich - die
Tageskarte hat heute „Spaghetti Bolognese“ zu bieten, die lässt sich Gernot
natürlich gerne kommen. Sagen wir besser - hätte er sich gerne kommen lassen.
Denn durch das Fehlen von Gitti ist die Kesselberg-Brigade derart überfordert,
dass wir fast eineinhalb Stunden auf unser Essen warten müssen. Neuer Rekord
natürlich, aber alleine der Abwesenheit von Gitti geschuldet. Dafür waren
sowohl die Nudeln als auch Ilses Bratkartoffel mit Spiegelei gut wie immer. Und
wir sind mit einem holländischen Paar ins Gespräch gekommen und haben uns eine
gute Stunde lang unterhalten. Bemerkenswertester Satz dabei: Als wir auf das
sattsam bekannte „Ibiza-Video“ zu sprechen gekommen sind, meinte die Frau:
„Also das hat uns nicht gefallen, auch wenn wir selber rechts sind. Aber das
war zu viel.“
Nach dem Essen haben wir am Seeufer dann wieder das tägliche Schauspiel
eines fulminanten Sonnenunterganges genossen. Wie es dann schon fast ganz
dunkel war, ist noch eine Jugendgruppe an den See gekommen und die vielleicht
10- bis 12-jährigen sind zum Teil mit Anlauf ins eiskalte Wasser gehechtet. Die
ebenso quietschvergnügten wie hochaktiven Mädchen und Buben, zusammen sicher
mehr als zehn Kinder, wurden von einer einzelnen Betreuerin beaufsichtigt. Das
muss man sich auch erst einmal trauen, bzw. muss man erst einmal „seinen“
Kindern derart trauen. Übrigens kommen alle unüberhörbar aus Innsbruck und
Umgebung.
Kaum waren wir im WoMo zurück, da sind schon wieder die alltäglichen
Prozessionen von Restaurant-Heimkehrern, Spätduschern,
Abend-Geschirrabwaschern, Klokassetten-Ausleerern und Toilettengängern an uns
vorbeimarschiert. Also langweilig wird einem an der „Rue de Dusch“ nie, heute
amüsieren wir uns zum Beispiel über all jene Camper, die bereits in der frühen
Dämmerung mit Stirnlampe UND Taschenlampe unterwegs sind. Auf allerorts
beleuchteten Pfaden, nebenbei bemerkt. Der Herrgott hat wirklich einen
unermesslich großen Tiergarten erschaffen …
Wir verbringen dann den Rest dieses dichten Tages mit einem kühlen Drink
und viel Lachen und Quatschen, morgen fahren wir wieder mit der Vespa aus. Mit
diesem schönen Gedanken gehen wir schließlich schlafen.
Freitag, 26. Juli 2019
Die erste gute Nachricht dieses Tages: Gitti ist wieder halbwegs fit,
zumindest lässt sie sich ab und zu blicken. Das erfahren wir beim Frühstück.
Zwei, drei Tage noch, dann wird Gitti wieder voll einsatzfähig sein. Sehr gut.
Das freut natürlich auch den Luis, denn dann kann er wieder seiner eigentlichen
Arbeit nachgehen, dem Kümmern um die unzähligen Camper-Anliegen.
Beim Frühstück fragt dann der Luis, wann Ilse denn ihren Geburtstags-Gutschein
einlösen will. Zum 60er von Ilse haben uns Luis und Gitti ja eine Einladung für
ein Gratis-Wochenende inklusive Allem geschenkt. O.k., dann gilt die Einladung
ab jetzt. Sehr fein - Ilse besteht aber darauf, das heutige Frühstück noch
selber zu bezahlen, weil wir ja an einem Freitag normalerweise erst nach Mittag
ankommen. Paaaasst.
Es wird heute wieder ziemlich heiß werden, dass merken wir spätestens in
dem Moment, als wir unseren Pasch vom Freien ins Innere des WoMo verlegen
mussten. Später widmen wir uns ein bisschen unserem Blog und danach lesen wir
bis zum Mittagessen. Gernot isst schon wieder den gebackenen Seelachs in der
Knusper-Kartoffelpanade. Laut dem bestens gelaunten Bene war der Lachs ein
Zufallsfund am Ufer des Kochelsees. „In der Früh is er einfach so dagelegen.
Aber der Fisch is voll o.k., es war ja sogar noch die Verpackung völlig
unbeschädigt.“ Ilse war übrigens mit ihrem Schweizer Wurstsalat auch sehr
zufrieden.
Nach dem Essen - natürlich ist es sehr ungewohnt, ohne zu bezahlen
aufzustehen - haben wir uns auf unsere Vespa geschwungen und sind in den
wunderschönen Tag hinausgefahren. Zuerst rüber nach Kochel, denn wir müssen
dringend Benzin nachgießen. Das ist ruck-zuck erledigt, fünf Liter rinnen ja schnell
rein.
Wir haben gestern schon ausgemacht, dass wir heute an den Staffelsee fahren
werden. Der befindet sich ganz in der Nähe von Murnau, also blatteln wir dort
hin. Es ist längst so warm, dass wir beide kein Jäckchen brauchen, wir lassen
uns den warmen Gegenwind ins Gesicht wehen und genießen die lässige und völlig
stressfreie Fahrt.
In Murnau folgen wir dann den Hinweisschildern zum Staffelsee und bald
sehen wir das Gewässer vor uns. Wir tuckern dem Ufer entlang, der See ist
sicher um einiges größer als der Kochelsee. Campingplätze gibt es natürlich
auch, es ist ganz schön was los hier. Wir kommen dann zu einem Platz, von wo
aus man einen freien Zugang zum See hat. Es ist ein schöner Rastplatz, man
könnte ein paar Sonnenliegen hier in den Schatten platzieren und eine große,
hölzerne Tisch - Sitzbankgarnitur steht auch da. Und es gibt einen Brunnen mit
Trinkwasser. Das alles sieht Ilse natürlich schon beim Vorbeifahren, was aber
auch Gernot nicht verborgen geblieben ist: Der Platz wird gerade von einer
größeren Familie verlassen und wie wir nach dem Umdrehen zurückkommen, ist er
leer. Das ist ja praktisch, natürlich machen wir eine feine Pause an diesem
lauschigen Plätzchen. Danach füllen wir uns noch die Trinkflasche mit frischem
Wasser auf und fahren weiter. Wir kommen schließlich nach Uffing und bei diesem
Ort endet der Staffelsee. Auf die andere Uferseite scheint man irgendwie
nirgends zu kommen, da ist alles Naturschutzgebiet, da darf man wahrscheinlich
nicht fahren. Vielleicht gibt’s ja gar keine Straßen dort, wir wissen es nicht.
Wir fahren den uns bekannten Weg zurück, vorher suchen wir noch die mit
Hinweisschildern angekündigte Schiffsanlegestelle am Staffelsee. Die ist gar
nicht so leicht zu finden, denn um zu ihr zu gelangen, muss man quer durch
einen sehr belebten Gastgarten gehen. Wir haben uns also an Bierkrüge und
Schweinsbraten balancierenden Servicepersonal durchgekämpft, aber wie wir an
der Anlegestelle angekommen sind, war da weit und breit kein Schiff zu sehen.
Dafür ein formloses Hinweis-Zettel: „Wegen Schiffstaufe entfällt heute der
Verkehr“. Eh wurscht, zu 99,99 Prozent wären wir eh nicht mitgefahren. Aber
jetzt wissen wir wenigstens, wo wir hinmüssten, wenn wir doch einmal mitfahren wollten.
Wer weiß, vielleicht gibt es am Staffelsee ja sogar ein „Fressschiff“, wie
Gernot die Schiffe mit Verpflegung an Bord sehnsüchtig nennt …
Die brave Vespa hat uns dann brav nach Kochel zurückgefahren und wir haben
uns fein in unsere Campingstühle fallen lassen. Heute machen wir keine Ausfahrt
mehr, die Runde mit dem Moped war immerhin 50 Kilometer lang, das reicht uns. Also
kann sich Gernot ein Bierchen genehmigen und auch Ilse mixt sich einen
gespritzten Weißwein. Am Platz ist es um diese Zeit, ca. 15 Uhr, ziemlich
schwül, ein recht heftiger Wind macht das aber einigermaßen erträglich. Wir
gehen halt ein paar Mal duschen, dann lässt sich die Sommerhitze noch leichter
aushalten. Beim obligatorischen Pasch hängt Ilse Gernot eine ziemlich
vernichtende Niederlage um, unter anderem macht sie vier Hunderter, falls das
jemanden etwas sagt. Das ist fünfmal die gleiche Augenanzahl in einem Wurf -
die Pascher/Würfler/Knobler werden schon wissen, wie selten das ist.
Später kommt dann Gustl zu uns, das ihm blitzartig angebotene Futter
goutiert er nur halbherzig. Viel mehr interessiert ihn die Plane, mit der wir
unsere Vespa abgedeckt haben. Das schwarze Kunststoffding flattert lustig im
Wind, bläht sich zwischendurch ordentlich auf, um dann wieder in sich zusammenzusinken.
Gustl beduftet die Plane ausführlich, rollt sich vor ihr auf den Rücken und
spielt verträumt mit den zahlreichen Verschnürbändern. Schließlich schlüpft er
ganz unter die Plane und macht es sich am Trittbrett unserer Vespa bequem. Wir
sehen ihn nur mehr, wenn der kräftige Wind die Plane mal wieder ein Stückchen
anhebt. Jedenfalls schaut es fast so aus, als ob sich Gustl ein wenig in unsere
Plane verschaut hat. Nicht verwunderlich, sie ist ja wirklich sehr hübsch,
schwarz/weiß wie er und genau wie die Vespa eine Original-Italienerin …
Wir lassen Gustl auf unserer Vespa schlafen und gehen Abendessen.
Tatsächlich hat Ilse heute das Semmelknödelgröstl gar nicht gut gemundet,
denn „Da ist ein Geschmack dabei, der da nicht hineingehört“. Da hat Gernot
mehr Glück gehabt, denn an seinem Tafelspitz in der Meerrettichsauce gab es -
wie immer - nichts auszusetzen. Schade für Ilse, aber zur Ehrenrettung der
Küchenbrigade sei gesagt: Wir haben schon unzählige Male am Kesselberg gegessen
und kaum ein Gericht auf der Speisekarte nicht ausprobiert. Es schmeckt immer
alles sehr gut, die Produktqualität ist wirklich ausgezeichnet, einen
gelegentlichen Ausrutscher können wir also getrost durchgehen lassen. Darum
haben wir uns auch nicht beschwert.
Nach einem Spaziergang zum See und einer Runde über den Platz haben wir uns
dann mit eiskalten Drinks in der Hand vor unser WoMo gesetzt und es in aller
Ruhe dunkel werden lassen. Natürlich haben wir auch diesen schönen Tag mit
einem Pasch ausklingen lassen, kurz nach 23 Uhr haben wir dann für heute die
Segel gestrichen und sind ins Land der Träume geschippert.
Samstag, 27. Juli 2019
Unmittelbar nach dem Aufwachen war uns schon klar: Das wird heute ein
maximal inaktiver Schlunz-Tag. Das Wetter ist trüb, es tröpfelt regelmäßig vor
sich hin, wenigstens ist es schön warm.
Nach dem Frühstück lesen wir, später verkürzen wir uns die Zeit bis zum
Mittagessen mit einem Pasch. Gernot tippt dann wieder ein bisschen in unserem
Blog herum, Ilse nimmt derweil unsere Sonnenschutzblenden von den Fenstern ab,
damit sie nicht vollkommen durchnässt werden. Und sie geht schon wieder alleine
unsere Klokassette ausleeren. Da macht so mancher Camper große Augen, wenn er
sieht, wie locker Ilse das schwere Trumm handhabt. Chapeau!
Pünktlich um 12 Uhr gehen wir ins Restaurant hinauf, der Laden „flutscht“
wieder, Gitti ist endlich wieder voll in den Betrieb eingestiegen. Weil am
Samstagabend traditionell gegrillt wird am Kesselberg, müssen wir uns mit dem
Mittagessen etwas zurückhalten. Denn sonst schaffen wir abends kaum die Hälfte
des vorbestellten Grillhendls bzw. der Schweinshaxe. Also bestellt sich Ilse
nur die Weißwürste mitsamt Bäckerbreze und Gernot nimmt formlos schon wieder
den Backfisch, das dritte Mal schon. Na ja, Flossen werden ihm wohl keine
wachsen …
Satt und zufrieden schlurfen wir ins WoMo zurück. Weil es kaum einmal eine
halbe Stunde trocken bleibt, kommt auch eine Ausfahrt mit der Vespa nicht in
Frage. Nicht weiter tragisch, wir sind dieser Tage eh ordentlich viel
herumgefahren. Also widmen wir uns wieder unseren lässigen Büchern und es wird
direkt mucksmäuschenstill in unserem WoMo. Ilse hat gerade „Tietjen auf Tour“
in Arbeit, dabei geht es um die Camping-Erlebnisse der TV-Moderatorin Bettina
Tietjen. Gernot liest mit Begeisterung die Autobiographie von Willi Resetarits,
der als „Ostbahn Kurti“ österreichische Rock and Roll Geschichte geschrieben
hat.
Die Zeit fliegt nur so dahin und wie wir unsere Bücher mal für einen Moment
zur Seite legen, ist es schon 16 Uhr. Draußen hat jetzt relativ strömender
Regen eingesetzt, wir werden für die paar Meter zum Restaurant vielleicht sogar
den Schirm brauchen. Das werden wir sehen, vorerst gönnen wir uns ein
ausgiebiges Nachmittagsschläfchen - körperliche Inaktivität ermüdet uns am
meisten.
Pünktlich um 17 Uhr 57 wachen wir auf, in drei Minuten gibt’s Hendl und
Haxe. Gut, es hat dann doch noch eine gute halbe Stunde lang gedauert, bis wir
unsere Grill-Spezialitäten vor uns liegen gehabt hatten. Aber wenn 20 Personen
gleichzeitig bedient werden müssen, dauert das halt ein wenig. Das dann
Dargebrachte war wieder derartig köstlich, dass man es kaum in Worte fassen
kann. Einfach ein kulinarisches Feuerwerk, jedes Mal wieder.
Der dringend notwendige Verdauungsspaziergang hat uns natürlich wieder ans
Ufer des Kochelsees hinuntergeführt. Wir haben uns auf eine Bank gesetzt und
zugeschaut, wie sich der Tag zur Nacht wandelte. Dafür die Zeit zu haben bzw.
sich für diese Momente ganz einfach die Zeit zu nehmen, das gehört zu den ganz
großen Privilegien unseres eh schon so privilegierten Lebens. Das ist uns in jedem
Moment bewusst und wir sind sehr, sehr dankbar dafür.
Selbstredend haben wir uns auch an diesem Abend noch ein Spiel am Paschteller
geliefert und sind dann relativ früh schlafen gegangen. Wahrscheinlich noch vor
23 Uhr.
Sonntag, 28. Juli 2019
Es geht wieder heimwärts. Vorerst gehen wir aber natürlich frühstücken.
Damit ist nun auch die letzte Mahlzeit von Ilses Geburtstags-Gutschein
verzehrt, Danke noch einmal dafür an Gitti und Luis. Und wie Ilse dann die
beiden ersten Tage unseres Aufenthaltes bezahlen will, meint Luis: „Der
Familienrat hat beschlossen, dass wir euch auf diese beiden Tage auch
einladen!“ Herzlichen Dank, das ist wirklich mehr als nur großzügig.
Nach dem Frühstück machen wir uns für den Aufbruch fertig, heute müssen wir
dafür unser WoMo umparken, weil wir auf unserem „Privat-Platz“ die Vespa nicht
aufladen können. No Problem natürlich, Gernot fährt eine kleine Ehrenrunde über
den Campingplatz und neben dem ersten der hübschen Wohnfässern hieven wir unser
Moped auf seinen Träger. Nach langen und herzlichen Umarmungen mit Gitti, Luis
und Bene machen wir uns dann auf den Weg nach Hause.
Die Fahrt nach Innsbruck ist längst nur mehr reine Routine, lediglich am
Zirlerberg wird es immer ein bisschen spannend. Da darf nach Möglichkeit kein
Fahrzeug knapp vor uns fahren, denn wir brauchen unseren eigenen
Brems-Rhythmus. Die Autos hinter uns sind uns wurscht, nur darf uns niemand
aufhalten. Meistens stellen wir uns beim Ortsanfang von Leithen auf den
Parkplatz und warten auf eine fesche Lücke im Verkehr. So auch heute - wir
reihten uns 200 Meter hinter einem PKW wieder in den Verkehr ein und konnten so
locker den steilen Berg „hinunterhoppeln“, ohne dass die Bremsen „weich“
geworden sind oder gar zu riechen angefangen haben.
In Innsbruck haben wir dann bei unserer WoMo-Garage die Vespa abgeladen und
unser Häuschen weitgehend ausgeräumt. Eines ist klar, wir werden eine Lösung
für unseren böse ramponierten Motorradträger bzw. für dessen Lichtleiste finden
müssen. Dringend! Das Ding hält eigentlich nur mehr aus reiner Gutmütigkeit,
auch trotz Ilses ausgeklügelter Befestigungstechnik könnte sich das Teil
jederzeit verabschieden. Na das wär‘ was … Also werden wir diese längst fällige
Reparatur endlich angehen müssen, vielleicht brauchen wir überhaupt etwas ganz
Neues. Mal schauen …