Donnerstag, 31. Oktober 2019

INDIEN - Tag 9, Varanasi

Donnerstag, 31. Oktober 2019
Heute ist Buchungs-Action angesagt, so was kann sich ziehen. Wir stehen um ca. 8 Uhr auf und gehen - surprise, surprise - herrlich warm duschen. Laut schimpfen ist nicht unsere Art, aber es wirkt!Ilse hat uns gestern spätabends noch den perfekten Flug herausgesucht: Abflug Varanasi um 13  Uhr 40 nach Hyderabad, dort 70 Minuten später Weiterflug mit einer anderen Maschine der gleichen Fluglinie nach Goa, Ankunft dort um 18 Uhr 30. Das Ganze für wohlfeile 18.528 RP - umgerechnet 234 Euro. Das geht, schließlich ist frische Luft unbezahlbar. Wir gehen zum Reisebüro runter und zeigen dem Besitzer den Screenshot mit dem Angebot. Nach einem „No Problem“ seinerseits lassen wir ihm unsere Pässe da und verabschieden uns für eine halbe Stunde zum Frühstück ins gegenüberliegende Hotel. Dort bestellen wir „Eggs double fried“ und trinken einen Schwarztee. Guter Start. Zurück im Reisebüro zieht sich das Buchungsprozedere erwartungsgemäß endlos hin, aber nach guten zwei Stunden halten wir die Ticketbestätigung in unseren nassgeschwitzten Patschhändchen. Hurra - Goa, wir kommen! 

Zwischendurch war Gernot kurz im Zimmer, gerade rechtzeitig, um unsere saubere Wäsche zu übernehmen. Die haben wir gestern noch dem Dobi-Wallah gegeben, wie die Wäscher in Indien genannt werden. Für den ganzen Berg an Schmutzwäsche haben wir faire 750 RP bezahlt, die Frage des Wallahs „No Bakschisch, Sir?“ hat Gernot formlos mit einem 100er beantwortet. Übrigens - kurios aber wahr - gerechnet wird hier nur nach „Stück“, also kostet z.B. eine lange Hose genau gleich viel wie ein Paar Schlupfsöckchen. Ach ja, noch ein kleiner Nachtrag zum Bezahlen der Flugtickets, da hat uns nämlich der Vermittler 28 RP nachgelassen, einfach so. Obwohl sie Gernot schon abgezählt hatte. „18.500 Rupees is enough, Sir!“ Schon wieder ein ungefragter Preisnachlass, auch wenn es nur eine Kleinigkeit war. Aber für 28 RP muss ein Fahrradrikscha-Wallah bei brütender Hitze ein paar Kilometer weit mühsam treten. Nur so zum Vergleich. Jedenfalls begrüßt Gernot den Reisebüro-Wallah jetzt immer mit einem „Namaste Mister Helpfull-Man“ und der freut sich jedes Mal breit grinsend darüber … Für das erfolgreiche Buchen müssen wir uns belohnen und gehen zu den Ghats runter. Wir haben unsere Bluetooth-Box eingepackt und suchen uns einen Platz etwas abseits des größten Touristen-Gewimmels. Bis hier her ist den allermeisten Commission-Wallahs der Weg zu weit, das weiß Gernot aus eigener, langjähriger Erfahrung. 
Wir verbinden unsere Box mit dem Handy und bald darauf dröhnt Max Raabe und sein Palastorchester über den Ganges, Ilse singt die Texte lauthals mit. Völliger Wahnsinn natürlich, aber manchmal kann man den allgegenwärtigen Wahnsinn hier nur so ertragen. Indem man eben selber wahnsinnig handelt. Geil! Wir haben eh ein Video davon gemacht. Da haben sie geschaut, die Inder. „Amalie geht mit ‚nem Gummikavalier ins Bad“, das war hier mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit noch nie zu hören. Natürlich sind dann gleich ein paar junge Inder aufgetaucht und haben der Reihe nach Selfies mit uns gemacht. Über Ilses gespielt forsches „Each foto 500 Rupees“ waren sie zuerst irritiert, haben dann aber über den Gag gelacht. Dann sind noch ein paar Jungs gekommen und wieder haben wir in die Handys gegrinst oder depperte Grimassen gemacht … Später haben wir dann eine alte Frau gesehen, die zuerst sich und danach ihren offenbar einzigen Sari im dreckigen Ganges-Wasser gewaschen hat. Dass sie sich dazu nackt machen musste, störte sie nicht, in Varanasi haben wir derartige Szenen schon öfter gesehen. Sonst ist öffentliche Nacktheit ein absolutes Tabu in Indien. 

Wir sind dann aus der schwülen Hitze geflüchtet und am Weg ins „Kesharis“ ist Ilse böse mit dem Fuß umgeknickt. Sie hat eines der vielen Löcher im Asphalt übersehen, weil sie abgelenkt war. Abgelenkt deshalb, weil ihr Gernot gerade die Bedeutung des Hindi-Wortes „Shanti“ erklärt hat. Und das heißt ausgerechnet „gemütlich, langsam“. Mit dem wehen Fuß hat es die Arme dann gerade noch ins „Kesharis“ geschafft und den Kellner dort um „Crushed Ice“ gefragt. Der nette Bursche bedauerte, so etwas gäbe es hier leider nicht. Er brachte uns die bestellten Cokes und dann sahen wir ihn in der Eistruhe herumkratzen. Tatsächlich schabte er mit einem Eiskugelformer ein Schüsselchen voll Eis von den Wänden ab, begleitet von bösen Blicken und ungeduldigen Fragen seines Chefs. Das Eis hat der Bursche dann Ilse direkt in den Socken geschüttet und verschaffte ihr damit augen-blicklich Linderung ihres wehen Knöchels. Wirklich aufmerksam und empathisch dieser junge Kellner, der einzige „dienstbare Geist“ in Varanasi bis jetzt, der sich um uns bemüht hat. Danke vielmals und unschwer zu erraten, dass sich diese Hilfsbereitschaft für ihn auch finanziell ausgezahlt hat. Aber deswegen hat er es garantiert nicht gemacht, da sind wir uns sicher. Im Hotel haben wir uns dann niedergelegt und vom irrsinnigen Verkehr in einen unruhigen Schlaf dröhnen und hupen lassen. Um 17 Uhr sind wir dann wieder aus den Decken gekrochen, die brauchen wir, weil die Klimaanlage intelligenterweise direkt neben dem Bett angebracht ist und punktgenau auf unsere Körper zielt. Wir haben Hunger und verfügen uns natürlich wieder ins „Kesharis“, sicher ist sicher. Ilse wagt sich über ein „Kesharis Dosa“, eine Art gefüllte Flade mit drei Schüsselchen verschiedener Saucen dazu. Gernot war weniger experimentierfreudig und hat sich erneut ein „Dal Makhani“ einverleibt. Danach wieder eine köstliche Lassi - ein rundum gelungenes und sehr schmackhaftes Essen. Leider haben wir nicht den Kellner von heute Nachmittag gehabt, er hat sich eh beeilt uns „zu kriegen“, aber ein Kollege von ihm war schneller. So musste er sich mit einem dankbaren Lächeln unsererseits zufriedengeben.
Am Weg zum Hotel konnten es die Rikscha-Wallahs natürlich nicht fassen, dass Western-Touris zu Fuß gehen. Aber das „You need Taxi, Sir?“ „Very cheap price, Sir“ oder das fast schon verzweifelte „Indian price, Sir!“ geht uns links rein und recht raus. Nicht so die Ansage eines etwas fixeren Wallahs, denn der köderte uns mit einem „Why not driving just for fun, Sir?“ Und er köderte uns erfolgreich. Wir mögen es eh, einfach so mit der Rikscha herumzufahren und für eine halbe Stunde lang Teil des Hup-Wahnsinns hier zu sein. Unser Fahrer war ein total lustiger Kerl, erzählte aber auch von den Problemen seiner Heimatstadt. Als wir durch ein Moslemviertel kamen, meinte er, kein Hindu werde hier als Bewohner geduldet, aber Moslems könnten überall ohne Probleme unter Hindus wohnen. „They everywhere want have the full power and control!“ Na ja - was sollen wir dazu für eine Meinung haben? Unser Fahrer war Hindu, wir kennen die Situation vor Ort nicht und sämtliche Religionen gehen uns in Wirklichkeit sowieso am Allerwertesten vorbei. Schließlich sagte ihm Gernot seinen Lieblingsspruch zu diesem Thema, der kommt von Frank Zappa und lautet schlicht und einfach: „All religions are wrong!“ und er legte noch ein: „Not God has made the men,  men has made God!“ Da hat der Fahrer vor Freude und Begeisterung in die Hände geklatscht, weil das genau seine Meinung war. „We all are God“, lachte er und bald danach wäre er vor Lachen beinahe aus seiner Auto-Rikscha gekippt. Denn Gernot hat ihm spontan einen Zweizeiler gereimt: „Shiva is good and so is Allah - but best of all is Rikscha-Wallah!“   Er hatte Tränen in den Augen und es war wirklich eine Gaudi mit ihm. Nachdem die vorher vereinbarten 200 RP verfahren waren, hat uns der immer noch lachende Wallah zum Ausgangspunkt der Fahrt zurückgebracht - wir waren sicher eine gute dreiviertel Stunde lang unterwegs und es war Spaß pur. Diese Begegnung mit diesem herzlichen Fahrer und auch der hilfsbereite Kellner im „Kesharis“ haben uns letztendlich doch wieder ein wenig mit Varanasi versöhnt. Es ist eben nie alles nur schlecht ....

Im Hotel haben wir dann noch unseren Mr. Helpfull-Man vom Reisebüro gefragt, ob er uns morgen ein Taxi zum Flughafen bestellen könne. „No Problem Sir, 1.000 Rupees“. Nun, wir sind um 600 RP hergefahren und haben dabei schon das Doppelte des für Inder ortüblichen Preises bezahlt. Wurscht - wir haben eh noch die Visitenkarte unseres „Herbringers“. Den rufen wir dann an, er freut sich und erinnert sich sofort. „No Problem Sir, tomorrow 9 o’clock, Hotel Deva Inn I know. Good night, Sir!“ Ja eh super, wäre das auch erledigt. Ilse packt dann noch all unsere Habe zusammen, geht sich wieder wunderbar aus. Dann legen wir uns nieder, natürlich nicht, ohne uns den Wecker gestellt zu haben. Ist wohl auch schon ein paar Monate her, dass wir das zuletzt getan haben, das sind so die Vorteile eines Pensionistenlebens …

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