Donnerstag, 24. Oktober 2019

INDIEN - Tag 2, Ankunft in Delhi




Donnerstag, 24. Oktober 2019
Der Flug nach Delhi hat zwar nur etwas über 6 Stunden lang gedauert, trotzdem war das lange Sitzen ziemlich anstrengend. Vor allem Gernot hatte die ganze Zeit über mit seinen langen Extremitäten zu kämpfen, an Schlaf war dadurch nicht einmal zu denken. Ziemlich genau um Mitternacht ist uns dann tatsächlich noch ein Abendessen serviert worden, wir hatten nicht damit gerechnet. Wir haben beide ein Hühnchen gekriegt, wenngleich mit unterschiedlichen Saucen. War eh ganz gut, aber vom Flugzeugsitz gerissen hat es uns auch wieder nicht. Wurscht. Übrigens ist das Einweg-Besteck mittlerweile aus Holz (!!) gefertigt, auch sonst fällt die Plastikvermeidung in vielen Bereichen auf. Gut so! Wir waren wirklich sehr froh, als dann irgendwann gegen 7 Uhr indischer Zeit das Licht im Flieger wieder angegangen ist, jetzt geht’s also dem Ende zu. 


Vorher haben wir einen ewig langen und fulminanten Sonnenaufgang erlebt, die Sonne präsentierte sich in den Spektralfarben von dunkelviolett bis schneeweiß. Zum Glück waren wir auf kein richtiges Frühstück eingestellt, denn wir haben nicht einmal einen Kaffee gekriegt. Eh besser so. Dafür gab es eine Art Croissant gefüllt mit Cottage-Käse, dazu wurde Ketchup gereicht. Sogar unser indischer Sitznachbar hat das Kuriosum reihum unter Gelächter hergezeigt, gegessen hat diesen kulinarischen Terroranschlag niemand. Beim Landeanflug auf Delhi ist uns die unfassbare Luftverschmutzung hier mehr als nur deutlich geworden, denn erst 50 (!!) Meter über dem Boden konnten wir schemenhaft die Häuser erkennen. Sekunden später setzten wir dann schon auf der Landebahn auf und überpünktlich rollten wir zum Gate. Kaum stand der Flieger still, schalteten wir in den Action-Modus. Auch wenn wir selber manchmal über die „Frühaufsteher“ nach der Landung schmunzeln müssen, in Delhi hat das seine Berechtigung. Es zählt nämlich jeder einzelne Passagier den man überholt, denn die Einreiseprozedur dauert für jeden Fluggast gut 6 oder auch zehn Minuten. Da macht es schon einen Unterschied, ob fünf Leute vor einem in der Schlange stehen, oder fünfzehn. Wir waren top in Form, Ilse hat noch im Flugzeug die ersten fünf Leute überholt, während Gernot den nächsten Münzfund gemacht hat. Wieder ein 20-Cent-Stück und wieder hellglänzend. Passt. Am Weg zum Einreise-Schalter haben wir absolutes Vollgas gegeben, so schnell waren wir zu Fuß schon seit Jahren nicht mehr unterwegs. Aber es hat sich wirklich rentiert, vor uns sind maximal zehn Leute angestanden, noch dazu mehrere Pärchen. Das geht und dementsprechend schnell hatten wir die Prozedur hinter uns - hat keine dreiviertel Stunde lang gedauert. Übrigens wird jeder Tourist inzwischen auch fotografiert, als einzige in der Reihe mussten wir nicht unsere Fingerabdrücke abgeben. Weil die eh schon in unseren Pässen gespeichert sind. Danach noch schnell zur Gepäckausgabe, Ilse hat ihr Köfferchen schon von Weitem gesehen, der gelben Schnur sei Dank. Sodala - jetzt noch der letzte Einreisecheck durch einen gelangweilten Wallah, der uns nur lässig durchgewinkt hat. Und schon waren wir mitten im prallen Indien. Wir haben dann voller Vorfreude auf unseren Pickup-Guy mit unserem Namensschild Ausschau gehalten. Aber nirgends war ein „Zimmermann“ ein „Mr. Gernot“ oder wenigstens ein „Mrs. Ilsa“ zu sehen. Nix dergleichen. Shit, die werden uns doch nicht vergessen haben? Doch, hatten sie! Das wurde uns nach einem Telefonat mit dem Hotel klar, für das uns ein netter Inder sein Handy zur Verfügung gestellt hat. Ganz so nett und vor allem selbstlos war er dann aber gar nicht, denn für eine Fahrt zum Hotel verlangte er schlanke 1.950 Rupies. Mit Uber kostet diese Fahrt übrigens weniger als 250 RP. Diese Gauner! Gernots Laune verschlechterte sich von Sekunde zu Sekunde, denn der nächste Taxler verlangte 1.700 RP und ein dritter nannte uns als „Special nice Price“ 1.500 RP. Wir hatten aber keine Lust, noch zehn „Angebote“ einzuholen, also wandte sich Gernot an eine nette Frau von der „Tourist Police“. Die entschuldigte sich gleich einmal für die halsabschneiderischen Methoden der Taxler und führte uns zu einem „Taxi Pre-Paid“ Schalter. Dort kostete die Fahrt in den Pahar Ganj faire 450 RP - das Problem war jetzt, wir hatten nicht so viele Rupies einstecken. Ein netter Bursche erkannte unser Problem und fragte Gernot, ob er helfen könne. Der antwortete in seinem Zorn: „How much is your Price to Pahar Ganj? 1.550 or 1.700 RP, come on, tell me!“ Der junge Inder antwortete zu Gernots Beschämung: „Oh Sir, I am a tourist like you. But I can change a little money.“ Peinlich, peinlich. Mit schamroten Ohren zückte Gernot einen 10-Euro-Schein und der nette Bursche drückte ihm 800 RP dafür in die Hand. Das ist mehr, als wir auf einer Bank dafür bekommen würden. Also entschuldigte sich Gernot aufrichtig für sein arrogantes und aufbrausendes Verhalten und gab ihm 100 RP zurück. Die wollte der hilfreiche Inder aber gar nicht annehmen, erst nach mildem Zwang steckte er das „Trinkgeld“ ein. Danke lieber Mann und noch einmal 1000 Mal um Entschuldigung. Wir wurden dann von der Polizistin persönlich zum richtigen Taxi eskortiert und endlich konnte die Fahrt zum Hotel losgehen. War nicht der denkbar beste Auftakt unseres Indien-Trips, aber ab jetzt konnte es nur noch besser werden. Und das wurde es dann auch … Delhi ist eigentlich weit weniger stickig, als wir es kennen und wie es vor allem der Anflug befürchten hat lassen. Es hat vielleicht 25 Grad, Gernot kennt Delhi aber auch mit 40 Grad. Beides probiert, kein Vergleich. Der Irrsinns-Verkehr hat sich natürlich nicht verändert, dass er überhaupt fließt, ist mit unserem europäischen Denken nur der Kategorie Wunder zuzurechnen. Hunderte Male geht es sich nur um das berühmte Frauenhaar aus, auch wenn es so dünne Frauenhaare gar nicht gibt. Bald einmal erkennen wir die ersten Gebäude und Parks, wir kommen auch am „Salzmarsch Denkmal“ vorbei, das wir damals im Jahr 2007 besucht hatten. Und dann biegen wir in den Main Bazar ein, hier kennen wir uns wirklich schon aus. Der Fahrer fragt ein paar Mal Passanten nach dem Weg, dass wir ihn kennen, glaubt er uns nicht. Sogar unser „Maybe 50 meter after the Hotel Anoop on the right side“ ignoriert er. Wurscht. 


Wir lassen ihn halt mit einem „You can stop here“ beim Hotel „All-izz-well“ anhalten. Gernot drückt ihm noch einen Hunderter (ca. 1,20 Euro) Trinkgeld in die Hand, das gebietet allein schon die Taxler-Ehre. Im Hotel hat Gernot dann elegant seinen letzten Zorn verrauchen lassen und der verantwortlichen „Vergesserin“ ordentlich die Meinung gegeigt. Mit einem alternativlosen „Ausreden interessieren mich nicht, ich krieg sofort 450 RP für die Fahrt und 100 RP Trinkgeld für den Fahrer“ war die Geschichte erledig und mit den 550 RP im Sack haben wir uns das Zimmer angeschaut. Zur Vorsicht haben wir ein „This is our best room, I promise“ Zimmer bekommen und sind sehr zufrieden damit. Wir haben zwei (!!) Doppelbetten, eine irrsinnig gut funktionierende Klimaanlage, einen Ventilator, ein vollausgestattetes Badezimmer mit Klopapier (!!) und Toiletten-Spülung (!!!), natürlich einen Fernseher und sogar einen Eisschrank. Passt - das lassen wir als Entschädigung durchgehen, weil wir buchstäblich wie bestellt aber nicht abgeholt am Delhi Airport dunsten haben müssen. Wir richten uns einigermaßen im Zimmer ein, trotz Übermüdung und Jetlag haben wir aber gar nicht das Bedürfnis, uns sofort niederzulegen.






Also gehen wir raus und lassen den indischen Wahnwitz zum ersten Mal so richtig auf uns wirken. Wir spazieren zum Hotel „Kelson“ rüber, vielleicht ist ja unser Freunde Kumah immer noch dort angestellt. Ist er leider nicht, aber immerhin bekommen wir als Auskunft „He is going back to Nepal!“ Bei unserem weiteren Streifzug durch den Paharganj kommen wir beim großen Book-Store vorbei und der Besitzer grüßt Gernot schon von Weitem. Bei seinen bisherigen Indien-Trips hat Gernot immer hier Bücher gekauft und einige davon stehen heute noch in unserer Bibliothek in Innsbruck. Vorerst grüßt Gernot aber nur zurück, aber natürlich werden wir noch schauen, was der Book-Wallah vom Main Bazar so im Angebot hat zurzeit. Wir gehen dann Geld wechseln, denn ohne Rupies werden wir nicht weit kommen. Wir erledigen das formlos im nächstbesten „Change Money“ Shop und „erwischen“ zufällig einen Europäer, ziemlich sicher ein Brite. Wir wechseln 600 Euro und bekommen dafür exakt 46.716 RP. Da sind schon 84 RP Steuer für die amtliche Wechsel-Bestätigung abgezogen. Aber dieses Formular kann bei der Ausreise ziemlich wichtig sein, denn sonst wird man automatisch verdächtigt, am Schwarzmarkt gewechselt zu haben. Das mögen die indischen Behörden gar nicht … Mit den Bündeln an Rupies im Sack sind wir dann zurück zum Hotel und haben uns endlich niedergelegt. Nach vielleicht zwei Stunden Schlaf hat es Gernot unwiderstehlich nach draußen gezogen, Ilse ist noch ein bisschen liegengeblieben. Wir brauchen ein paar Sachen, Wasser z.B., aber auch Klopapier. Obwohl es im Hotel eh Klopapier gibt, aber diese Mini-Röllchen reichen für maximal zwei Arbeitsgänge, da will man lieber vorsorgen. Der Wirbel im Main Bazar ist derart gigantisch, dass eine Beschreibung desselben nahezu unmöglich ist. Trotzdem oder besser genau deswegen taugt uns das total. Obwohl - leben könnten wir hier beide nicht, aber als eine Art Entertainment lässt sich der Irrsinn hier schon aushalten. Bei einem winzigen Shop locken dicke Klorollen und Gernot kauft sich zwei davon. Dann erspäht er im Kühlschrank eine Dose „Heineken“ Bier, die darf auch mitkommen. Und natürlich ein Cola für Ilse, dazu zwei Flaschen Wasser. Als Gernot das unvermeidliche „where do you come from“ des Shop-Wallahs mit „Austria“ beantwortet, flippt der beinahe aus und sagt auf Deutsch: „Aus Österreich? Ich liebe Österreich. Ich war in Wien auf Urlaub. Ich habe mit meiner deutschen Freundin zwei Jahre in Berlin gelebt, daher spreche ich ein bisschen Deutsch.“ Na, so ein netter Zufall. Der junge Typ nennt sich Sascha, weil sein Name tatsächlich etwas kompliziert ist. Direkt neben seinem kleinen Stand besitzt er gemeinsam mit seinem Bruder auch ein Restaurant und natürlich sagt sich Gernot zum Abendessen an. Zurück im Hotel halten wir dann noch ein wenig Siesta, danach aber nix wie raus ins Gewühl. 

Gernot braucht unbedingt Schlapfen für die Dusche, barfuß ein indisches Hotel-Badezimmer zu betreten fällt nämlich eher in die Rubrik „unvernünftig“. Gleich im erstbesten Schuhgeschäft werden wir fündig und nach nicht einmal fünf Minuten sind wir mit einem Paar wunderbar gefälschter „Crocs“ wieder bei der Tür draußen. Gernots Kommentar beim Bezahlen „Quick Business is good Business“ wird von der dicken Kassiererin mit einem breiten Lächeln beantwortet. Übrigens - die feschen Treter haben gerade einmal 300 RP (ohne Handeln) gekostet, das sind keine 4 Euro. Wir spazieren anschließend noch eine große Runde durch den Pahar Ganj und kommen dabei auch am Christlichen Friedhof vorbei. 


Der ist eine absolute Ruhe-Oase im lärmenden Wahnwitz des Main Bazar und wir genießen eine gute halbe Stunde lang die beinahe himmlische Ruhe. Wir beobachten Streifenhörnchen, sehen große Raubvögel und fotografieren einen wunderschönen Schmetterling. Von einem Baum fällt irgendwas auf Ilse runter, schon wenige Sekunden später ist sie im Genick geschwollen und es juckt erbärmlich. Von was Ilse da getroffen wurde? Ehrlich gesagt, wir wollen es lieber gar nicht wissen und Ilse behandelt die Stelle halt mit unseren bewährten Fluid. Dann ist eh schon Zeit fürs Abendessen und wir gehen die vielleicht 150 Meter zu Sascha rüber. Gernot bestellt sich „Dal Makhani with Butter Nan“ und Ilse lässt sich von Sascha herrliche „Veg. Pakoras“ bringen. Also ungelogen - die „Dal Makhani“ waren mit Abstand die besten, die Gernot je auf dem Teller gehabt hat und das mag bei dutzenden Bestellungen dieses Linsengerichts wahrlich etwas heißen. Auch Ilse war mit ihren Pakoras sehr zufrieden und zählt man die nette Unterhaltung mit Sascha dazu, dann war das ein wirklich rundum perfektes Abendessen. Natürlich sind wir dann auf mächtigen Umwegen ins Hotel zurückspaziert, vom unfassbaren Wirbel hier haben wir noch lange nicht genug. Im Zimmer legen wir uns dann bequem auf unsere Betten und switchen uns dann noch durch die indischen Fernsehprogramme. Das ist - ohne respektlos sein zu wollen - der absolute Brüller, denn das Dargebotene ist durchwegs unfassbar, vor allem die Actionfilme. Die Fähigkeiten der indischen Superhelden lassen Rambo oder den Terminator als unfähige Stümper dastehen, ohne dreifachen Salto aus dem Stand samt Schrauben und Spagat geht vor dem Zuschlagen gar nix … Aber es ist doch unterhaltsam, halt unfreiwillig komisch, das Ganze. Dann holt uns aber doch endgültig der Jetlag und die Müdigkeit ein und es wird wahrscheinlich noch nicht einmal 22 Uhr gewesen sein, als wir das letzte unserer unzähligen Lichter im Zimmer ausgemacht haben.


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