Mittwoch, 30. Oktober 2019

INDIEN - Tag 8, Varanasi


Mittwoch, 30. Oktober 2019
Wir sind schon weit vor 8 Uhr früh auf den Beinen, keiner von uns hat länger als eine Stunde am Stück geschlafen. Wurscht, kann man schon mal aushalten, aber es geht doch an die Substanz. Die eiskalte Dusche macht uns schön munter und wir brechen zur Mission „Change the Hotel“ auf. Wir gehen zu Fuß den guten Kilometer zur Godowlia-Crossing. An diesem Top-Spot von Varanasi befinden sich gleich mehrere große Hotels, die ziemlich modern wirken. Wir haben aber eh keine großen Ansprüche - Bett, Klimaanlage, heiße Dusche, wen geht ein Fenster. Wir werden dann gleich fündig und buchen uns für zwei Nächte im Hotel „Deva Inn“ ein. Das liegt 20 Meter von der Godowlia-Kreuzung entfernt und das Zimmer ist völlig in Ordnung. Großes Bett, Klimaanlage, schönes Badezimmer und sogar ein Fernseher. Letzteren bräuchten wir nun wirklich nicht, aber die indischen Soap-Operas sind schon sehr lustig auch. Das Zimmer kostet 4.115 RP die Nacht, also über 50 Euro, wurscht - das sind wir uns wert. Wir sagen uns in zwei Stunden an, wir wollen noch frühstücken gehen und danach holen wir noch unser Gepäck vom „Baba Guesthaus“. Passt. Genau gegenüber vom „Deva Inn“ befindet sich ein 5-Sterne-Hotel und wir dürfen auch als Nicht-Hausgäste in den Speisesaal gehen. Wir bestellen „Toast, Butter, Jam“ und zweimal Schwarzen Tee, der Kellner bedauert, dass ihnen leider der Toaster kaputt geworden sei. No Problem, dann halt nur das Weißbrot. Hat dann auch gut geschmeckt und der Tee war wirklich ausgezeichnet. 
Gestärkt sind wir dann zum „Baba Guesthouse“ gegangen und haben ausgecheckt. Gernot hat dann die 1.200 RP auf den Tresen gelegt, die hat der Hausherr dann aber nicht angenommen. Weil wir nicht zufrieden waren. Was nicht einmal stimmt, denn wir waren schon in weit ärgeren Absteigen in Indien, unsere Ansprüche sind nicht so hoch und für 1.200 RP war das eh o.k. Es hat uns nur das mit dem Schuhverbot gestört - also eigentlich kein Grund für einen 100 Prozent Preisnachlass. Wurscht, soll so sein - aber Gernot ist plötzlich ein Spruch von Oscar Wilde in den Sinn gekommen: „Die unerträglichste Form der Eitelkeit ist die Bescheidenheit“… Mit einem „Namaste“ haben wir Baba (er nennt bzw. heißt vielleicht wirklich so) und seinem Guesthouse den Rücken gekehrt und sind durch die engen Gassen zur breiten Straße marschiert. Hier im ganz alten Teil von Varanasi liegt der Dreck besonders hoch, es stinkt erbärmlich nach Exkrementen und die Luft ist voll von Insekten aller Art. Dazu passt wie die Faust aufs Auge der Name eines relativ modernen Restaurants: „The dirty Chai-Shop“. Wahrscheinlich kann man den ganzen Dreck hier nur mehr mit Sarkasmus ertragen … 
Wir steigen dann mit unserem Gepäck auf eine Fahrradrikscha, eine Alternative haben wir nicht. Gut, wir könnten zu Fuß gehen. Aber dann würde der Rikscha-Wallah nichts verdienen und mit uns verdient er immerhin gut. Denn wir zahlen ihm für die kurze Schinderei 100 RP, ein Inder würde keine 5 geben. So haben wir alle etwas davon. Im Hotel „Deva Inn“ begrüßt uns der Manager wie langjährige Bekannte und nachdem die Anmelde-Prozedur erledigt ist, reduziert er den Preis freudestrahlend auf 4.000 RP. Aber Hallo - das zweite „Geldgeschenk“ innerhalb einer halben Stunde? Auch o.k … Wir bestellen noch schnell zwei Flaschen Wasser (vor allem zum Zähneputzen) und richten uns ein wenig ein. Der große Fernseher funktioniert nicht, wurscht. Aber die Klimaanlage funktioniert auch nicht und das ist uns nicht wurscht. Also muss Gernot zur Rezeption runter gehen und als ihn dort ein Hotelboy sieht, erschrickt er direkt. Der Grund - er hat die zwei Flaschen Wasser vergessen, der Auftrag war offenbar zu kompliziert. Es kommt dann gleich ein anderer Hausdiener, offenbar der AC-Experte. Tatsächlich bringt er den Air-Cooler zum Laufen und jetzt ist es so laut herinnen, dass man kaum mehr das andauernde Hupkonzert vor dem Fenster hört. Weil wir schon einen Techniker im Raum haben, soll er uns doch bitte den Fernseher in Gang bringen. „No Problem, Sir“ meint er und auch wie er nach 20 Minuten schon den dritten Receiver aus irgendeinem Zimmer holt meint er „No Problem, Sir“. Dann tut sich plötzlich wirklich was und ein Ladebalken erscheint. „Now we make a quick new start, only a few minutes, Sir“ meinte der Boy selbstzufrieden und weg war er. Vier Stunden später, wir hatten den Fernseher schon längst vergessen, stand der Ladebalken übrigens immer noch bei „0 % Loading“. Über so etwas können wir natürlich nur lachen, Indien halt. Weniger lustig war, dass auch nach der x-ten Intervention kein warmes Wasser aus der Dusche kommen wollte. Also für 50 Euro die Nacht muss das drin sein, da wollen wir gar nicht drüber diskutieren. Das hat nix mit Warmduscher-Mentalität zu tun, anders kriegen wir den Dreck der Stadt nicht von uns runter. Gernot hat dann richtiggehend laut werden und buchstäblich auf den Tisch hauen müssen, bis sich endlich einer der Wallahs aufgemacht und den richtigen Schalter umgelegt hat. Manchmal können die einen echt narrisch machen hier … Wir sind dann nach einem kleinen Schläfchen zu den Ghats aufgebrochen und haben uns wieder mit einer Fahrradrikscha hinfahren lassen. Wieder hat es einen 100er für den Wallah gegeben und auch er hat den Schein gut fünf Mal geküsst und an seine Stirn geführt. Wir gehen beim Haupt-Ghat zum Ganges runter und auf den Stufen dorthin wird Gernot von einem Geschäftemacher derart heftig am Arm zurückgerissen, dass er einen blauen Fleck davongetragen hat. Also Handgreiflichkeiten dieser Art sind völlig neu, das wäre noch vor ein paar Jahren undenkbar gewesen. Der Mann hat sogar mit der linken Hand zugepackt, eine größere Demütigung und Respektlosigkeit ist in Indien nicht mehr möglich. Was wohl in diese Wallahs gefahren ist? Wir wissen es nicht, jedenfalls wird wohl bald einmal einer dieser „Zupacker“ mit verbogenen Fingern wimmernd im Dreck liegen. Wir müssen schnellstens von hier weg. Ende der 1990er Jahre hat Gernot in seinem Indien-Reisetagebuch den Satz geschrieben: „Wenn man das so sagen kann, dann ist Varanasi - nach Innsbruck - meine Lieblingsstadt“. Das ist schon brutal, wie sehr sich diese Stadt in nur wenigen Jahren verändert hat … Eh wurscht - wir haben zum Glück alle Möglichkeiten und werden von hier abhauen. 
Wir gehen dann die Ghats entlang in Richtung Assi-Ghat, es ist drückend schwül und wir schwitzen aus allen Poren. Obwohl es wolkenlos ist, können wir direkt in die Sonne schauen, die Luftverschmutzung ist so extrem wie in Delhi. Wir können dann gar nicht bis zu den „Burning Ghats“ marschieren, weil riesige Sandanschwemmungen den Weg unpassierbar machen. Schade, einmal wären wir schon gerne die ganzen Ghats entlangmarschiert, vor 12 Jahren haben wir das jeden Tag gemacht. Wurscht, passt eh irgendwie zum Gesamteindruck von Varanasi, dass diese Sandberge einfach so am Weg liegengelassen bzw. halbherzig weggespritzt werden. Ist ja eh nur die wichtigste Touristenattraktion hier ... A propos Touristen - dabei handelt es sich fast ausschließlich im Inder, Westerners sieht man nur ganz vereinzelt. So etwa im Restaurant „Kesharis“. Da war Gernot noch bei jedem seiner Besuche, auch mit Nadja natürlich. Damals war sie noch keine 11 Jahre alt und hat - vor allem zu Beginn der Reise - jegliches indische Essen strikt verweigert, nur Pommes Frites, gekochte Kartoffel und Bananen gegessen … Wir kehren also im „Kesharis“ ein, Ilse kriegt einen „Veg. Fried Rice“ und Gernot ein „Veg. Chowmin“. Dazu Coke. Das Essen war gut, zum Abschluss hat sich Gernot dann noch ein „Plain Lassi“ kommen lassen. Diese Art von Joghurtgetränk ist einmalig gut und in Varanasi gibt es angeblich das beste Lassi überhaupt in ganz Indien. Damit auch mal was Positives über Varanasi gesagt ist. Wir gehen dann ins Hotel zurück - natürlich wieder kein Warmwasser. Also muss Gernot wieder bellen, denn höflich geht hier gar nix. Servicegedanke Null, Respekt dem europäischen Touristen gegenüber ebenfalls Null. So betreten die Hausdiener selbstverständlich - auch mal zu dritt - mit ihren dreckigen Schuhen unseren Wohnraum, in dem wir barfuß gehen, um ihn wenigstens halbwegs sauber zu halten. Niemals würden sie mit Schuhen den Wohnraum eines Landsmannes betreten. Ein kluger Inder hat uns einmal erklärt, der indische „Otto Normalverbraucher“ kann mit uns deswegen nix anfangen, weil wir außerhalb des Kastensystems stehen. Andererseits bewundern und beneiden sie uns, weil wir in ihren Augen unendlich reich sind. Sie lassen sich auch gerne mit uns fotografieren, um mit ihren ausländischen „Freunden“ prahlen zu können. Aber in Wirklichkeit, so der kluge Mann, sind wir für den einfachen Inder so eine Art „Cockroaches with money“, also „Kakerlaken mit Geld“. Tja - und so werden wir immer wieder mal behandelt hier. Also muss man halt das arrogante Arschloch heraushängen lassen, denn das kennen sie von ihren eigenen Landsleuten, den „Upper Class Indians“. Da gibt’s dann statt Schimpfen gleich einmal ein paar Ohrfeigen oder Fußtritte. Und dann klappts auch mit dem Warmwasser … Nach dem Duschen legen wir uns hin und werden eher bewusstlos, als dass wir einschlafen. Zwischendurch werden wir von einer Horde Affen aus dem Schlaf gerissen, die unsere Klimaanlage als Sprungbrett verwendet. Ilse hat eh ein lässiges Bild von einem der Affen gemacht, er war offensichtlich sehr überrascht, dass jemand im Zimmer ist … Im gleichen Gebäude unseres Hotels befindet sich ein winziges Reisebüro, das auch Flüge vermittelt. Wir fragen dann gleich den Besitzer, ob er uns einen Flug checken könne, er meint nur „Sure“. Passt, wir kündigen uns für morgen an. Im Zimmer überlegen wir dann, wohin uns unser Indien-Trip jetzt führen wird. Eigentlich wollten wir nach Darjeeling rauf, aber das läuft uns nicht weg. Wir brauchen in jedem Fall frische Luft, schließlich sind wir Tiroler und so einer Drecksbrühe einfach nicht gewachsen. Man schaue sich einfach das Foto von Delhi an - alles gesagt. So etwas schlägt sich nicht nur aufs Gemüt, sondern zunehmend auch auf die Gesundheit, Ilse hustet bereits wie eine Kettenraucherin … 

Also ist die Rechnung recht einfach: Frische Luft plus Ruhe plus Sonne, Strand und Meer ist - GOA! Ilse ackert sich tapfer durch die Unzahl an Flugverbindungen nach Goa, es gibt wirklich viele Angebote. Mal schauen, was uns der Wallah morgen checken kann. Jedenfalls sind wir schon voller Vorfreude auf den kleinsten Bundesstaat Indiens, wenn alles klappt, dann sind wir übermorgen schon dort.  Viel haben wir heute dann nicht mehr auf die Reihe gebracht, Gernot ist später noch einmal rausgegangen und hat für Ilse Chips und Cola besorgt. Vielleicht kriegt sie ja damit ein wenig Ordnung in ihren immer noch beleidigten Stoffwechsel …

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