Montag, 28. Oktober 2019
Unser letzter voller Tag in Indiens Hauptstadt. Ilse hat eine beschissene
Nacht hinter sich, leider in des Wortes ursprünglichster Bedeutung. Sie ist
stundenlang nicht von der Kloschüssel weggekommen und hatte dabei stets einen
Plastikeimer vor sich stehen, weil sie ununterbrochen speiben hat müssen. Das
geht an die Substanz. Gernot ist da vergleichsweise viel, viel besser
weggekommen, seine Darmverstimmung hat sich im Laufe der Nacht endgültig in
Luft aufgelöst - wie heißt es so „schön“ unter Indienreisenden? „Nur der Mutige
furzt!“ Gernot ist also vom Brechdurchfall verschont geblieben, topfit ist er
aber auch nicht …
So ist es auch kein Wunder, dass wir erst um 11 Uhr 30 (!!) aufgewacht
sind. Das hat auch damit zu tun, dass es in unserem Zimmer auch tagsüber fast
völlig dunkel ist - obwohl wir ein Fenster haben. Aber das führt nur in einen
Lichtschacht und der ist am oberen Ende abgedeckt. Das wiederum hat den
Vorteil, dass wir trotz geöffnetem Fenster kaum einmal ein Insekt im Zimmer
haben, keine fünf Stück in den letzten 5 Tagen. Gernot geht dann mal runter in
die Rezeption und bezahlt unseren um zwei Tage verlängerten Aufenthalt hier im
„All iz well“ Hotel. Das ist schnell erledigt, kostet exakt 4.000 RP und Gernot
wird endlich seine so ziemlich letzten 2000 RP Geldscheine los. Die kann
nämlich kaum einmal jemand wechseln, wahrscheinlich gibt es viele Millionen Inder,
die so einen Schein überhaupt noch nie in der Hand gehabt haben. Dabei reden
wir von umgerechnet knapp 25 Euro … Beim
Bezahlen der Hotelrechnung kommt es dann noch zu einem Mini-Eklat. Der
Hotel-Wallah fragt Gernot nach unserem nächsten Ziel, weil er das in sein Buch
eintragen muss. Und mitten in dieses Gespräch platzt ein (skandinavischer?)
Tourist und stellt dem Manager eine vollkommen belanglose Frage. Da ist Gernot
kurz ausgeflippt, hat den vielleicht 30-jährigen gefragt, ob er nicht ganz
normal ist und warum er sich herausnimmt, einfach ein Gespräch zu unterbrechen.
„Haben dir das deine Eltern nicht gelernt? Wenn zwei Erwachsene reden, dann
hast du als Kind Pause. Und jetzt schleich dich du arroganter Lümmel oder du
wirst mich kennenlernen!“ Bamm Oida - das hat gesessen, wäre er ein Hund, so
wäre er mit eingezogenem Schwanz abgezogen. So hat er nur mit eingezogenem,
jedoch hochrotem Kopf schnell das Weite gesucht … So geht’s ja echt nicht. Nach
der Bezahlung ist Gernot eine gute halbe Stunde lang im Main Bazar
herumspaziert. Dabei hat er den Shop von Sascha tunlichst umgangen, denn wir
haben inzwischen beschlossen, dass wir uns sein Geschenk gar nicht abholen
werden. Vielleicht wird ihm dadurch bewusst, was für eine depperte Idee es ist,
zwei Flugzeugreisenden zwei Kilo Süßigkeiten mit auf den Weg zu geben. Noch
dazu bei stets über 30 Grad Temperatur …
Im Hotel dann die freudige Erkenntnis
- Ilse ist tatsächlich wieder auf dem Damm und das sogar um eine Spur mehr als
nur halbwegs. Zwar ist sie noch sehr schwach, aber den Brechdurchfall hat sie
eindeutig hinter sich. Und sie ist schon wieder hochaktiv, während Gernot noch
eine Mütze voll Schlaf nimmt, stellt Ilse gleich mehrere Blogbeiträge online,
die sie vorher mit den jeweiligen Bildern bestückt hat. Dann - es wird wohl
schon nach 16 Uhr gewesen sein - sind wir dann beide noch einmal raus ins
pralle Leben. Ilse würde sich eventuell über einen nackten Toast wagen, vor
allem, wenn sie ihn, wie daheim den Zwieback, in einen Tee tunken könnte.
Sollte sich eigentlich finden lassen …
Wir biegen bei der „New Delhi Railway Station“ einfach nach links ab, da
waren wir noch nie. Da kommt es dann gleich zum zweiten Eklat des Tages, denn
ein besonders unsympathischer und aufdringlicher Commission-Wallah kann es nicht
fassen, dass wir ihn ignorieren und es sogar wagen, uns weiter zu unterhalten.
Da packt er doch tatsächlich Gernot am Arm, ja er reißt ihn beinahe herum. Na,
mehr hat er nicht gebraucht. Gernot hat ihm nach einem aggressiv vorgetragenen
„Don’t touch me or I touch you!“ sofort Schläge angedroht und das mit erhobener
Faust bekräftigt. Da ist er blass geworden, der schön braune Inder. Gernot hat
sich völlig zurecht empört, NIEMALS würde es dieser Arsch wagen, einen Inder am
Arm zu packen, nur weil er irgendein Scheiß-Geschäft machen will. Da würde er
sofort am Boden liegen und noch ein paar Tritte obenauf kassieren. Noch bis in
die 1980er (!!) Jahre hinein war es Indern erlaubt, einem Kastenlosen die Hand
abzuhacken, falls der ihn berühren sollte. Das nur zum Verständnis, um welchen
Tabubruch es sich bei so einer unstatthaften Berührung handelt. Jedenfalls hat
Gernot dem Lümmel noch ein paar Nettigkeiten auf seinen weiteren Lebensweg
mitgegeben und eines ist sicher: DER greift unseren Gernot garantiert nicht
mehr an …Erlebnisse wie diese können uns aber nicht die Laune verderben,
bereits Sekunden nach dem Streit ist Gernot wieder völlig relaxed und wir
spazieren weiter.
Wir kommen an einem Fruchtsaft-Stand vorbei und weil der
junge Verkäufer nett ausschaut, bestellt sich Gernot einen Ananas-Saft. Wie er
dann sieht, dass der junge Bursche das staubige Glas zwecks Reinigung in einen
Behälter mit Wasser taucht, hätte er die Bestellung vernünftigerweise abbrechen
müssen. Aber - no risk no fun“ und außerdem sind wir eh gegen Hepatitis
geimpft. Der Ananassaft ist dann übrigens dunkelrosarot dahergekommen, entweder
eine indische Spezialananas oder eine Mischung mit Granatäpfeln, die er auch im
Angebot gehabt hat. Wurscht - der Saft war köstlich und man wird sich ja nicht
gleich bei jeder Gelegenheit Cholera aufreißen.
Beim Spaziergang kommen wir
auch an einer uralten Vespa vorbei, also das Ding wäre bei jeder Vespa-Parade
der absolute Top-Star. Überhaupt sind hier einige Vespas unterwegs, zum Teil
Originale, auch wenn es sich bei den meisten Rollern um gnadenlose Fälschungen
handelt. Das hören wir natürlich sofort am Motorengeräusch, denn das kann man
schlecht fälschen … Auch zwei leuchtendrote 125er haben wir schon gesehen,
beide wunderschön und ohne einen einzigen Kratzer. Wir sehen dann eine nette
Szene, als sich ein Straßenköter und eine Katze begegnen. Der Hund macht der
Katze gegenüber sofort eine Unterwürfigkeitsgeste, was diese mit hocherhobenem
Schwanz quittiert. Dann streifen sie dicht aneinander vorbei und die Katze
lässt den Hund noch kurz an ihrem Hinterteil schnüffeln. Wirklich süß. Weniger
süß ist der Anblick eines toten Hundes, der am Gehsteig liegt und mit drei
Doppelseiten einer Zeitung abgedeckt ist. Ein paar Schritte weiter liegt ein
Mann in der Gosse, das schaut gar nicht gut aus, besoffen war der eher nicht.
Das sehen wir an den besorgten Minen der Herumstehenden, uns geht so etwas
jedenfalls nichts an und wir gehen weiter.Wir biegen dann in eine kleine
Seitengasse ein, die sollte uns eigentlich zurück in den Main Bazar bringen.
Ilse wagt sich über ein eiskaltes Coca-Cola, Gernot trinkt einen Red Bull.
Beide bekommen wir einen Strohhalm, den der Wallah zuvor notdürftig abstaubt.
Also heikel sollte man hier besser nicht sein. Übrigens muss Gernot mit seinen
1,86 Metern Größe stets auf der Hut sein, nicht in herunterhängende Stromkabel
zu geraten. Manchmal müssen wir direkt lachen, wenn wieder einmal ein Kabel mit
zwei unisolierten Enden direkt vor Gernots Gesicht auftaucht.
Eine dieser
„Kabelfallen“ haben wir eh fotografiert, die hätte sogar der lieben Ilse
gefährlich werden können … Wir sind dann wieder im Main Bazar gelandet und
haben uns ins Hotel verfügt. Gernot hat sich noch ein wenig niedergelegt, Ilse
hat für heute schon genug gepennt. Gegen 20 Uhr gehen wir dann noch einmal
hinüber ins „Exotic“ Restaurant, schließlich hat Ilse ihren Tee mit Toast noch
nicht gekriegt. Wir bestellen also Schwarztee, vier Scheiben Toastbrot und dazu
zweimal die „Double-fried eggs“. Gernot trinkt schon wieder einen Red Bull, na
ja, davonfliegen wird er uns schon nicht.
Nach dem Ultra-Spät-Frühstück gehen wir noch eine kleine Runde durch den
Main Bazar, es knallt immer noch hie und da, obwohl Divali eigentlich schon
vorbei ist. Also vorbei sein sollte oder so. Denn auch wenn wir schon viele
Inder nach dem genauen Zeitraum des Festes gefragt haben, bekamen wir die unterschiedlichsten
Antworten. Was solls - morgen sind wir eh von hier weg. Im Hotel packt Ilse
dann unsere gesamte Habe in die Köfferchen und Taschen, Gernot schreibt derweil
an unserem Blog. Morgen gegen 10 Uhr werden wir uns ein Taxi zum Flughafen
rufen und wir versuchen das zum ersten Mal mit Uber. Mal schauen, wie das
funktioniert. Der Preis für die Fahrt wird übrigens von Tag zu Tag billiger -
zurzeit steht er bei 216 RP, das ist nicht einmal die Hälfte vom billigsten
Taxipreis. Kein Wunder, dass Uber erfolgreich ist, wobei …
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