Dienstag, 29. Oktober 2019

INDIEN - Tag 7, Delhi - Varanasi


Dienstag, 29. Oktober 2019
Diese völlig sinnbefreite Knallerei zu Diwali kann einem echt den letzten Nerv rauben, man kennt das ja eh von uns daheim, wenn Silvester gefeiert wird. So haben wir auch in dieser Nacht kaum einmal länger als eine Stunde durchschlafen können, weil es immer wieder extrem laut geknallt hat. Eh wurscht eigentlich, aber auf Dauer ist das natürlich nicht so gut …Wir stehen dann gegen 8 Uhr auf und lassen uns vom Roomservice Tee aufs Zimmer bringen, Ilse hat von gestern noch zwei Scheiben Toast gebunkert. Es geht ihr wieder zu 99 Prozent gut, das ist schon mal die beste Nachricht des Tages. Unsere Taschen hat die Brave gestern schon tipp-top eingeräumt, wir sind also bereit. Zum ersten Mal rufen wir uns heute ein Uber-Taxi, die Bestellung klappt ausgezeichnet, sowohl Automarke (Suzuki) mit Kennzeichen, als auch Name und Foto des Fahrers werden angezeigt und die Fahrt kostet gerade einmal 235 RP. Der Fahrer sollte laut Uber in 5 Minuten bei unserem Hotel vorfahren, gebraucht hat er letztendlich viereinhalb Minuten. Na schau! Wir haben einen sehr besonnenen Fahrer erwischt, der seine Karre in aller Ruhe durch den Irrsinnsverkehr Delhis bis zum Flughafen fährt. Dort bringt er uns zum Terminal 3 und wir gehen schnurstracks zum Vistara-Schalter. Das Einchecken ist sofort erledigt, die nette Dame überredet Gernot, er solle doch seine Tasche aufgeben, das wäre ja viel bequemer. Recht hat sie. Der Security-Check verläuft nicht ganz problemlos, dem scharfen Auge des Gesetzes ist ein Feuerzeug nicht entgangen, das Ilse in ihrer Bauchtasche „schmuggeln“ wollte. Jetzt wollte es der strenge Kontrolleur natürlich genau wissen und wir mussten einiges auspacken. Kein Problem, alles in Ordnung und wir wurden durchgewunken. In der großen Halle sticht uns dann das gelbe „M“ ins Auge und Gernot nimmt schon mal Platz. Er bestellt sich zwei Fisch-Macs, das ebenfalls bestellte Coca-Cola kriegt er nicht, weil es Softdrinks nur in Verbindung mit einem Menü gibt. Das verstehe einer, aber - Indien! Also muss es ein Eistee tun, passt auch. Ilse geht sich derweil eine Tafel Milka (!!) Schokolade und ein Mars kaufen, über den Irrsinnspreis dieser Süßigkeiten wollen wir lieber den Mantel des Schweigens breiten, Nur so viel: Würde ein Verkäufer in Österreich diese Summe für die zwei Sweets verlangen, könnte man wohl die Marktaufsicht kommen lassen …Nach dem Break bei McDonalds - Ilse hat zur Vorsicht nichts gegessen - haben wir uns einen Platz gesucht, um uns die Wartezeit mit einem feschen Pasch zu vertreiben. 
Wir wurden schnell fündig und wir sind nicht einmal ganz mit dem Spiel fertig geworden, da war auch schon Zeit fürs Boarding. Der Flug nach Varanasi dauert ja nicht einmal eineinhalb Stunden und hätte nicht ein verwöhnter fünfjähriger Scheißer die ganze Zeit über sinnlos geplärrt und geschrien (er wollte offenbar ein Spiel haben, das nicht mit an Bord war), dann wäre es ein feiner Flug gewesen. Aber so ist es halt manchmal, lässt sich schon aushalten. Der Flughafen in Varanasi ist immer noch so groß bzw. klein wie der in Innsbruck, wir sind eine Gangway hinuntergeschritten und dann übers Rollfeld ins Gebäude marschiert. Dort hatten wir dann Glück bei der Gepäcksausgabe-Lotterie, unsere beiden Köfferchen sind unter den Top-10 dahergekommen.

   Dann nahmen wir uns den erstbesten Taxler, der uns für 600 RP in die Nähe unseres Hotels führen würde. Ganz hin kann er nicht fahren, durch die engen Gassen dort kommt höchstens ein Moped. Bei der Ausfahrt vom Flughafenareal musste unser Taxler dann 50 RP Parkgebühr zahlen, die er mit einer Selbstverständlichkeit von uns verlangte. O.K., kein Problem, kriegt er halt am Ziel nur noch 550 RP. „No, no - 600 RP plus 50RP Parking-Fee, Sir. This is normal in Varanasi!“ Gernot hat ihn dann höflich gefragt, ob er ein bisserl deppert sei, also war die Geschichte erledigt und der Wallah hat den 50er selber gezahlt. Im Stadtzentrum hat er uns bei der Godowlia-Crossing aussteigen lassen und mit einem „only 6 or 7 minutes to walk“ verabschiedet. Es hat dann sicher länger als 20 Minuten gedauert, die ganze Zeit über hatten wir natürlich irgendwelche Commission-Wallahs an uns hängen. Ilse hat uns dann via Google-Maps den Weg gewiesen und schließlich standen wir ziemlich erschöpft vor dem „Baba Guesthouse“. Der letzte uns begleitende Wallah wollte dann tatsächlich Bakschisch fürs Neben-uns-Herlaufen - netter Versuch …Wir kriegten dann unser Zimmer gezeigt und sind entsetzt zurückgeprallt. Ein fensterloser Raum, ca. 6 qm² groß und ohne eigenes Badezimmer. Ehrlich wahr - wäre das eine Gefängniszelle, dann würde sogar Amnesty International aufhorchen. Wir sind zu alt für so einen Scheiß, also verlangten wir nach dem besten verfügbaren Raum. Jetzt haben wir wenigsten 9 m², immerhin ein Fenster und ein eigenes Bad. Dass die Dusche kalt daherkommt - geschenkt - bei 1.200 RP die Nacht passt das schon. Wir richten uns schnell ein bisschen ein und wollen dann ins hoteleigene Rooftop-Restaurant essen gehen. Wir treten ein, schaut ganz gut aus, aber da kommt schon ein Kellner und meint, wir müssten unsere Schuhe ausziehen. Dabei haben wir eh beide unsere Hauspatschen an, mit denen wir nur duschen, aber nie nach draußen gehen. Das Beste - die Kellner tragen selbstredend ihre Schlapfen, mit denen sie auch auf die Terrasse hinausgehen, aber die Gäste sollen barfuß laufen? Das haben wir auch noch nie erlebt, also verabschieden wir uns grußlos. Es ist uns klar, dass wir schnellstmöglich das Hotel wechseln werden, hier gefällt es uns nicht und die Hausregeln sind uns zu eigenartig. Also latschen wir zu den Ghats runter und von dort zum Hotel „Alka“. Das kennen wir, da waren wir schon 2007, aber wegen Diwali waren sie ausgebucht. Wir kriegen aber leider immer noch kein Zimmer, obwohl sie auf Booking.com mehrere freie anbieten. Na ja, eh wurscht, in Varanasi gibt es hunderte Hotels, wir finden schon was. Aber wenn wir schon hier sind, dann wollen wir wenigstens eine Kleinigkeit essen. Wir bestellen einen „Veg. Fried Rice“ für Ilse und ein „Veg. Pulao“ - ebenfalls eine Gemüsereisspeise - für Gernot, dazu je ein eiskaltes Coke. Nach 15 Minuten meint der Kellner, es würde noch ein wenig dauern - no Problem, wir haben es nicht eilig. Nach weiteren ca. 20 Minuten Wartezeit meint Gernot dann launig: „The Fried-Rice is comming from Lucknow“, das ist eine Stadt, ca. 200 Kilometer entfernt. Nein, nein - lachte der Kellner, aber der Boy, den er zum Markt geschickt hat wegen dem Gemüse, sei leider noch nicht zurück … Ist das zu fassen, in einem angeblichen 5-Sterne Hotel, wo die Nacht in einem guten Zimmer 100 (!!) Euro und mehr kostet? Wir bezahlen unsere Getränke und gehen. Also kein Abendessen, ist vielleicht eh besser so. Wir wandern den guten Kilometer zum „Baba Guesthouse“ zurück und kommen dabei am Haupt-Ghat vorbei, wo allabendlich in einer Zeremonie der “Holy Mother Ganga“, also dem Heiligen Fluss, gehuldigt wird. Geschätzte 3.000 Menschen drängen sich auf den Stufen, fast ausschließlich Inder. Wir kommen fast nicht durch die dichtgedrängte Menschenmasse durch und brauchen für 20 Meter mindestens 5 Minuten. Wir kennen diese Zeremonie auch schon von damals, da war aber mehr „Action“ auf der Bühne, heute werden Räucherstäbchen angezündet, Glocken geschlagen und aus den Lautsprechern tönt übersteuerter Hindu-Sound. Im Prinzip nix anderes wie bei uns daheim ein Tiroler Abend, auf religiös halt. Überhaupt sind wir schockiert, mit welcher Selbstverständlichkeit sich die „Holy Men“ hier inzwischen prostituieren. Wir sehen einen Saddhu, der von Western-Touristen (wahrscheinlich Deutsche) mit gezückten Handys umringt ist. Und auf den Befehl „Make a angry face, Baba“ folgt der „Heilige Mann“ sofort, macht „Grrrr“ und streckt die Zunge raus. Das nachfolgende „Now dance Baba“ hören wir nur mehr, anschauen können wir uns die „Heilige Nutte“ nicht mehr … Dabei haben wir noch vor einigen Jahren einen gehörigen Respekt vor Babas und Saddhus gehabt, vor allem die so genannten „Black-Saddhus“, eine Art böse Zauberer, waren für uns Westerners hochinteressant. Obwohl uns natürlich schon damals klar war - Alles nur Show, Lug und Trug, genau wie die angebliche „Holy Mother Ganga“. Wer bitteschön würde seine Mama derart verdrecken und versiffen lassen, wie es die Inder mit dem ach so heiligen Ganges tun. Eine größere Drecksbrühe gibt es wohl kaum wo - weltweit. So - genug jetzt der Kritik, aber wie sich diese heilige Stadt in wenigen Jahren zum Schlechten gewandelt hat, ist schon erschütternd. Wir waren auch noch nie zuvor an einem derart dreckigen Ort. Gut, sauber war Varanasi auch damals nicht, Gernot war das erste Mal vor gut 25 Jahren hier. Aber jetzt ist das nur mehr eine Müllhalde, eine Stadt, die wir so rasch als möglich verlassen werden, ja unbedingt verlassen müssen. Schon wegen unserer Gesundheit. Wir biegen dann vom Flussufer zu unserem Guesthouse ab und quälen uns die vielen Stufen zum Eingang hoch. 
Dort nehmen wir am Boden Platz und beobachten fasziniert das sprichwörtliche Affentheater, das sich vor unseren Augen abspielt. Auf einem Bambusgerüst, das um einen alten Tempel aufgebaut ist, vergnügen sich zahlreiche Affen, vom mächtigen Alpha-Mann, über die heranwachsenden Halbstarken, bis hin zu den Affen-Mamas mit ihren süßen Babys, die sich am mütterlichen Bauch festkrallen. Die Kletterfähigkeit der Tiere und ihre unfassbare Sprungkraft ist unfassbar, die springen aus dem Stand locker über drei Meter weit, manche auch über vier Meter! Diese halbe Stunde war mit Sicherheit der Höhepunkt für uns am heutigen Tag. Dann sind zwei Hunde die Treppen hochgekommen und zielgerichtet auf uns zugesteuert. Sie haben uns ausgiebig beschnüffelt und uns als Aufforderung zum Streicheln mit ihren Schnauzen angestupst. Blöd werden wir sein, so ein Varanasi-Hund hat mehr Einwohner als Zürich, die dürfen sie alle selber behalten. Gernot hat spaßhalber gemeint, durch das ausführliche Schnüffeln wollten die Hunde nur schauen, wie lange wir noch zu leben haben und ob man vielleicht schon ein Stück von uns abbeißen könnte. Denn - und jetzt ohne Scherz - in Varanasi sind die Hunde an den Geschmack von Menschenfleisch gewöhnt, weil viele der verbrannten Leichen nur angekokelt in den Ganges geschmissen werden. Denn einen Menschen vollständig nur mit Holz zu Asche werden zu lassen, ist fast unmöglich. Und ärmere Leute können sich vom teuren Holz auch nicht Riesenmengen kaufen, also bleibt viel von den sterblichen Überresten übrig. Diese Leichenteile holen sich die Hunde dann raus und - Mahlzeit … Im Guesthouse treffen wir dann auf den Besitzer, er fragt uns, wie es uns gefalle bei ihm. Wir sagen ihm, dass uns das Schuhverbot stört, wo doch die Kellner sehr wohl Schuhe tragen würden. Gernot fragt ihn dann noch, ob er jemals in einem Restaurant gewesen wäre, wo er die Schuhe ausziehen haben müssen, Da meint er: „No Sir, but this ist my house and this are my rules!“ Alles klar und deshalb antworteten wir: „Tommorow we laeve.“ Ganz einfach. Wir gehen dann in unser winziges Zimmer und legen uns nieder. Der Ventilator schaufelt die über 30 Grad warme Luft von einer Ecke des Raumes in die andere und macht dabei das Geräusch eines startenden Helikopters (Zitat Ilse). An einen erholsamen Schlaf ist aber ohnehin nicht einmal zu denken, im Sekundentakt explodieren Böller und Raketen, teilweise direkt unter unserem Fenster. Auch noch nach 4 Uhr früh - Happay Diwali! 


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